Tour de France: Und plötzlich beste Verfolger

Der deutsche Rennstall um den australischen Kapitän Jai Hindley überrascht in der ersten Tour-Woche. Der Podiumsplatz ist in greifbare Nähe gerückt.

Radfahrer auf der Straße waren an Fans vorbei

Jai Hindley (grüner Helm) hatte bei der Tour schon seinen epischen Moment Foto: Daniel Cole/ap

MONT-DE-MARSANS taz | Einen Tag lang schien der bayerische Rennstall Bora-­hansgrohe das Maß aller Dinge bei der Tour de France zu sein. Mit einem bravourösen Ritt über die Pyrenäengipfel hatte sich Bora-Kapitän Jai Hindley am Mittwoch an die Spitze des Klassements gesetzt und seinen tollen Auftritt mit einem Tagessieg gekrönt.

Das Hausblatt der Tour de France, L’Équipe, machte mit einem Foto des Australiers auf, wie er sich das Gelbe Trikot über das grüne seines Rennstalls streift. Die Sponsorennamen des Teams waren dabei noch zu sehen.

Man mochte es als kleines Entgegenkommen aus dem Hause Amaury Sport Organisation (A. S. O) deuten, dem sowohl L’Équipe als auch die Tour gehört. Denn zu Beginn der Tour musste Bora-hansgrohe die extra angefertigten neuen Trikots wieder einpacken. Tour-Ausrichter A. S. O und Weltverband UCI war die grüne Farbe zu nah dran am Grün des Punktetrikots.

Sogar Pogačar und Vingegaard auf Distanz

Bei der ersten Bergverabredung waren die Profis des Raublinger Rennstalls hellwach. Gleich drei Mann schafften es in die 36-köpfige Fluchtgruppe. Hindley sagte später: „Eigentlich war das gar nicht so geplant. Aber hinter uns riss plötzlich eine Lücke auf, und ich befand mich vorn in der Gruppe. Das ist schön, habe ich mir gedacht, und mir vorgenommen, einfach ein schönes Radrennen zu fahren.“

Es wurde superschön für ihn. Zuerst hielt sein Teamkollege Patrick Konrad mit mächtigem Einsatz das Feld auf Distanz. Danach sorgte Emanuel Buchmann, frischgebackener Deutscher Meister, für Flankenschutz. Und schließlich löste sich Hindley aus der Gruppe und hielt auch die Verfolger um die früheren Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard und Tadej Pogačar auf Distanz.

„Es war ein epischer Moment“, freute sich Hindley später. „Ein Kindheitstraum ging für mich in Erfüllung. Als Kind habe ich immer die Tour de France geschaut“, erzählte er. Nicht nur geschaut hat er, sondern selbst viel Rad gefahren ist der junge Jai.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

So viel, dass Vater Gordon, ein leidenschaftlicher Radamateur, ein ganzes Team um den Filius aufbaute. Mit dem ging er auch auf Europatournee, fuhr dabei einige legendäre Tour-Gipfel ab. In den Tiefen des Internets findet man noch ein Foto, das das „Gordons Development Team“ mit Vater und Sohn Hindley sowie ein paar anderen Youngstern auf dem Col d’Aspin zeigt. Die Pyrenäen kannte der Australier also schon als Bub ganz gut.

Vater Gordon war auch jetzt beim großen Auftritt am Rande der Strecke. Sohn Jai widmete den Sieg seinen Eltern. „Sie haben mich immer unterstützt, in allem. Wenn ich Astronaut hätte werden wollen, hätten sie mich, glaube ich, auch darin unterstützt“, sagte er. Nun fliegt er nicht zum Mond oder Mars, sondern nur über irdische Gipfel. Aber das ziemlich gut.

Der Podiumsplatz ist realistisch

Dass sein Traum vom Gelben Trikot nur einen Tag lang hielt, steckte er auch locker weg. „Vingegaard und Pogačar waren einfach besser“, kommentierte er den Ausgang der 6. Etappe. Da hatte erst Vingegaards Team Jumbo-Visma ein mörderisches Tempo am Col du Tourmalet vorgelegt. Dann hatte der Däne höchstselbst attackiert. Pogačar war ihm gefolgt. Auch Hindley hatte erst noch dranzubleiben versucht. Dann musste er aber die Stärke der anderen anerkennen. „Das hat er gut gemacht“, lobte ihn sein Teamchef Ralph Denk später gegenüber der taz.

Der Däne Jonas Vingegaard und der Slowene Tadej Pogačar fahren in einer eigenen Liga

Denn so sicherte er den dritten Platz ab. Ihm zur Seite stand erneut Teamkollege Buchmann. Der Ravensburger opferte sich dabei aber so auf, dass er auf den letzten Kilometern noch mehrere Minuten Rückstand aufgebrummt bekam und von Rang vier im Klassement aus den Top Ten herausfiel. Auch das fand Teamchef Denk völlig in Ordnung. „Für uns wäre am Ende in Paris das Worst-Case-Szenario ein vierter und ein sechster Platz. Es war richtig, dass Emu alles gegeben hat, um den dritten Platz von Jai abzusichern“, betonte Denk.

Seine Aussage ist aber auch ein Zeichen dafür, wie sich die Zeiten geändert haben. Bora-hansgrohe mischt bei dieser Tour de France so gut mit, dass ein vierter und sechster Rang ein Worst-Case-Szenario sind. Jetzt ist ein Podiumsplatz durchaus realistisch.

Die beiden ganz vorn, Jonas Vingegaard mal wieder in Gelb und Tadej Pogačar weiter als Weißer Radsportprinz, fahren in einer eigenen Liga. Das wissen Denk wie auch Hindley. Ihre Liga allerdings, die der Männer, die um Platz drei fahren, wollen sie im Griff behalten.

Nach dem Giro-d’Italia-Sieg von Hindley im letzten Jahr ist das der nächste Schritt, ein richtig großes Grand-Tours-Team zu werden. „Gern hätten wir das Gelbe Trikot noch bis Sonntag, zur Etappe am Puy de Dôme, getragen“, gab Denk zu. Aber ein Sponsorenlöwe von LCL vorn im Bus und den Podiumsplatz im Visier, das ist schon eine prächtige Zwischenbilanz. Viel mehr werden Pogačar und Vingegaard auch nicht zulassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.