Tour de France Femmes: Die Tour lebt
Radsport an sich ist umweltfreundlich? Denkste. Wie bei der Tour de France Femmes zu sehen ist, gibt es jedenfalls auch sehr gute Ansätze.
Auch rundherum passte vieles. Die gute Resonanz an der Strecke lag auch an der umsichtigen Tourchefin Marion Rousse. Die einstige Radsportlerin ist in Frankreich sowohl als Tour-de-France-Moderatorin wie als Lebenspartnerin des Nationalhelden Julian Alaphilippe landesweit bekannt. Sie klapperte im Frühjahr jede Ortschaft an der Strecke ab und schwor lokale Akteure auf die Rundfahrt ein.
Auch männliche Ex-Profis, die selbst die Tour de France gefahren waren und jetzt bei Frauenteams arbeiten, zeigten sich beeindruckt. „Es ist ein guter Auftakt. Und es gibt wenig zu verbessern. Für größere Diversität sollte man noch ein Zeitfahren mit hineinnehmen. Zwei, drei Tage länger könnte die Rundfahrt auch gehen. Dann hebt sie sich gemeinsam mit dem Giro, der zehn Tage dauert, von den anderen Rundfahrten etwas ab“, sagte Albert Timmer, sportlicher Leiter von Team DSM, der taz.
Wie stark die derzeit achttägige Rundfahrt in der Zukunft ausgebaut werden soll, ist tatsächlich die Frage. Tourchefin Rousse hält perspektivisch zehn Tage für sinnvoll. Bringt man den Punkt Geschlechtergerechtigkeit ins Spiel, landet man schnell bei drei Wochen Rundfahrt. Das ist bei der derzeitigen Struktur des Frauenradsports aber illusorisch.
Verletzungen, Krankheiten, Formrückstände
„Der Rennkalender ist extrem dicht. Viele Rennställe haben mit ihren 10 bis 15 Rennfahrerinnen schon jetzt Probleme, jedes Rennen, an dem sie teilnehmen wollen, auch adäquat zu bestücken. Die Fahrerinnen sind auch nicht das gesamte Jahr über verfügbar. Es gibt Verletzungen, Krankheiten, Formrückstände. Und sie müssen sich regenerieren. Drei Wochen Tour würden auch zulasten anderer Rundfahrten gehen“, meint Ronny Lauke, Chef des deutschen WorldTour-Rennstalls Canyon SRAM, zur taz.
„Warum müssen wir das überhaupt immer ins Verhältnis 1:1 setzen? Ist das das Ziel, ist das das Maß?“, fragte Marlen Reusser, Siegerin der 4. Etappe, im Gespräch. Und natürlich hatte die promovierte Medizinerin, die spät in den Eliteradsport einstieg, gleich eine Antwort parat: „Vielleicht können wir ja auch Dinge vorleben, die der Männersport noch nicht gemacht hat.“ Reusser verwies auf ökologische Aspekte.
Der Gedanke von ökologischer Exzellenz in dieseem Hochleistungssport stößt allgemein auf Resonanz. „Wir versuchen, unsere Fahrzeugflotte so modern wie möglich zu halten“, betonte Canyon SRAM-Chef Lauke und verwies auf Hybridantriebe bei den Pkws. „Mir ist es auch lieber, mit einem Wohnmobil mit einer vernünftigen Euro-Norm herumzufahren, das 14 Liter verbraucht, anstatt mit einem Reisebus nach einer Euro-3-Norm, der vielleicht 25 Liter zieht“, meinte Lauke. Frauenteams sind kleiner, kompakter und beweglicher. Viele von ihnen nehmen an der Tour de France tatsächlich mit Wohnmobilen anstelle der Riesenbusse der Männerteams teil.
Betrachtet man die Kohlendioxidbilanz der Tour insgesamt, so sind vor allem die Anreisewege der Zuschauer relevant. Nach Aussage der Umweltchefin der ASO, Karine Bozzacchi, kommen etwa 94 Prozent der insgesamt 216.000 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten, die die Tour produziert, von Zuschauern. Und da vor allem von jenen 50 Prozent, die nicht per Rad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV, sondern mit Auto oder Flugzeug anreisen.
Bei den Flachetappen der Frauentour kam ganz augenscheinlich das Gros der Zuschauer aus der Umgebung, also tatsächlich zu Fuß, per Rad oder Bus. Nur bei den Bergetappen gab es das gewohnte Bild der Autoschlangen in den Serpentinen. Anstiege zu wählen, die mit Skiliften gut erreichbar sind, wäre eine Planungsoption für die nächsten Jahre. Und etwas, das bei der großen Tour der Männer nachgeahmt werden darf.
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