Tour auf der Beelitzer Spargelstraße: Der König aller Gemüse
In Beelitz kann man sich nicht nur am Edelgemüse satt essen. Der Spargel führt auch zu einem der spannendsten Denkmäler Deutschlands.
Goethe nannte ihn den König aller Gemüse, und dem Urteil des Dichterfürsten stimmen auch heute noch die meisten zu. Spargel ist inklusiv: Verwöhnte Gaumen schätzen ihn ebenso wie solche, denen jede Currywurst recht ist. Kein Wunder, dass er in Deutschland das Gemüse mit der größten Anbaufläche ist. Von Niedersachsen bis zum Saarland werden jährlich um die 115.000 Tonnen aus der Erde geholt. An vierter Stelle steht Brandenburg, wo der Beelitzer Spargel seit 2018 durch ein spezielles EU-Siegel geschützt wird. Dort gedeiht er rings um die Beelitzer Spargelstraße. Vielleicht ein guter Grund, in den Fläming zu fahren?
Die Landschaft kann erst mal nicht begeistern. Der Blick schweift über Kiefernwälder und Sandböden, die größtenteils von weißen Planen überzogen sind. Gut für den Spargel, aber keine Augenweide. Auch in Klaistow hält es uns nicht, wo der Platzhirsch unter den Spargelhöfen ein regelrechtes Spargel-Disneyland inszeniert. Zwischen Spargelpyramide und Dekoscheune wird mal Polka, mal Rock oder Pop gespielt, je nachdem, ob gerade ein Seniorenfrühstück oder die Brandenburg-Schau des deutschen Retriever-Clubs auf dem Programm steht.
Fahren wir also weiter in den Nachbarort Busendorf. Welche Erwartungen der Name auch immer wecken mag – das Dorf ist so unscheinbar wie der dort ansässige Spargelhof. Auf rund 90 Hektar baut die Familie Simianer in der vierten Generation Spargel an. Sie ist nach der Wende aus Baden-Württemberg gekommen, als es hier genügend Anbauflächen gab. Als Erste haben sie auch die grüne Variante eingeführt.
Gleich neben den Feldern stehen der Hofladen und die Wohnungen, in denen die Spargelstecher aus Polen und Kroatien unterkommen. Im Spargelstübchen wird das Erntegut dann aufgetischt. Ob Süppchen oder ganze Stangen mit Kartoffeln, Schinken, Schnitzel, Rührei oder Fisch, wahlweise zerlassener Butter oder Sauce Hollandaise – abgesehen vom süddeutschen Kräuterpfannküchle sind die Rezepte so schlicht wie das Ambiente. Im Mittelpunkt steht der frisch gestochene Spargel. Und der unverfälschte Geschmack ist vorzüglich. Vor allem die violette Sorte, die nicht unter der Plane, sondern unter der Sonne reift.
Die Karriere des Spargels
Je nach Bodenbeschaffenheit schmeckt es zwischen Schlunkendorf und Trebbin immer ein bisschen anders. So kann man sich entlang der dreißig Kilometer langen Spargelstraße durchprobieren – und ganz nebenbei das Zisterzienserkloster Lehnin, Schloss Blankensee oder das Naturschutzgebiet Nuthe-Nieplitz entdecken. Und natürlich die Spargelstadt Beelitz.
Hier zeichnet ein kleines Museum die Karriere des Edelgemüses nach. Sie begann, als der Ackerbürger Carl Herrmann 1861 erstmals Spargel anbaute. Während der NS-Zeit galt der dann als zu kalorienarm, in der DDR-Zeit wurde er durch die Kollektivwirtschaft weiter verdrängt. „Nur private Bauern holten weiter das weiße Gold aus der Erde und tauschten es in Berlin gegen andere heiß begehrte Waren ein“, erzählt eine Mitarbeiterin des Museums. Nach der Wende hätten die Bauern zusammen mit Landwirten aus den alten Bundesländern die Tradition im großen Stil wiederbelebt.
Mindestens ebenso beeindruckend wie diese Geschichte ist das tausendjährige Ackerbürgerstädtchen. Jede Menge denkmalgeschützte Häuser reihen sich um die Pfarrkirche St. Marien aneinander. Fast alle vorbildlich saniert. „Unbedingt ansehen müssen Sie sich die Alte Posthalterei“, empfiehlt Bürgermeister Bernhard Knuth. 1789 im Stil des spätbarocken Klassizismus erbaut, ist das Gebäude, das heute ein kleines Postmuseum beherbergt und mit seinem Hof Kulisse des Spargelfestes ist, tatsächlich eine besondere Perle.
Die alte Lungenheilanstalt
Inzwischen, so Knuth, sei man auch in Sachen Heilstätten auf einem guten Weg. Die ehemalige Lungenheilanstalt mit sechzig denkmalgeschützten Ruinen im nahegelegenen Waldgebiet war lange Zeit das Sorgenkind der Region und Synonym für Gruseltourismus. Doch nach und nach hat sich für die gespenstischen Ruinen mit Einschusslöchern und kyrillischen Inschriften eine Lösung gefunden.
Den besten Überblick über das 200 Hektar große Areal gibt der Baumkronenpfad, der über die von Bäumen zugewucherten Gebäude hinwegführt. „Ja, Zerstörung und Vandalismus haben sie arg zugerichtet“, räumt der Guide des Vereins Baum & Zeit ein, der einen Teil des Geländes für Besucher erschlossen hat. „Dabei war die Anlage einst total innovativ.“
Die Berliner Landesversicherungsanstalt hatte die Sanatorien zwischen 1898 und 1930 für die vielen Tuberkulosekranken aus der aufstrebenden Industriemetropole nach modernsten Gesichtspunkten errichtet. Da gab es nicht nur lichtdurchflutete Klinikgebäude im alpenländischen Stil, durch die sich die kranken Arbeiter*innen wie in die ferne Schweiz versetzt fühlen sollten. Auch die Wirtschaftsgebäude wie das zentrale Küchen- oder das Heizhaus, das mit Kraft-Wärme-Kopplung betrieben wurde, gehörten zu den fortschrittlichsten in Europa. Einige Teile werden inzwischen von einer Klinik genutzt, aus einem anderen Gebäude ist das Landhotel Gustav geworden.
Viele verwandeln sich nach und nach in Miet- und Eigentumswohnungen sowie Künstlerateliers. Dazu sollen Schulen, Kindergärten und vieles andere rund um das neue Creative Village entstehen. Bürgermeister Knuth rechnet bis 2026 mit 4.500 Einwohnern. Die Wohnungen in historischer Architektur und im Grünen mit direktem Bahnanschluss nach Berlin seien heiß begehrt. Zumal ringsum der Beelitzer Spargel wächst.
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