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Tote nach Psychotherapie-Sitzung"Eine furchtbare Tragödie"

Nach der illegalen Gruppentherapie mit tödlichem Ausgang gerät die "psycholytische" Therapie in Misskredit. Welche Drogen genau im Spiel waren, ist noch unklar.

Garik R. absolvierte eine Ausbildung bei dem umstrittenen Schweizer Psychiater Samuel Widmer, der die sogenannte Therapeutisch-Tantrisch-Spirituelle Universität leitet. Bild: claudiarndt/photocase

Von "Scharlatanerie" sprach am Montag der Vorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung, Dieter Best. Das, was in Berlin am Samstag passiert sei, dürfe niemals mit "Psychotherapie" in Verbindung gebracht werden. Infolge einer Gruppensitzung mit einem illegalen Drogenmix waren zwei Menschen gestorben, einer liegt noch im Koma.

Gegen den Arzt Garik R., der in seiner Praxis in Berlin-Hermsdorf die Sitzung mit zwölf Patienten geleitet hatte, erging Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Er soll den zwölf Patienten im Alter zwischen 26 und 59 Jahren psychoaktive Substanzen in noch unbekannter Kombination verabreicht haben.

Der 50-jährige Garik R. ist Arzt für Allgemeinmedizin und ausgebildeter Psychotherapeut. Er bietet - sogar ganz offen auf dem Praxisschild - auch die sogenannte psycholytische Therapie an. Dies sind von der Kasse nicht anerkannte Behandlungen unter Einsatz von psychoaktiven Substanzen, darunter auch dem in Deutschland illegalen LSD und MDMA (Ecstasy).

Aus Ermittlerkreisen heißt es, dass bei der Gruppenbehandlung Ecstasy mit im Spiel gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft wollte sich am Montag über die genaue Zusammensetzung des von Garik R. verabreichten Cocktails noch nicht äußern, sondern erst ein toxikologisches Gutachten abwarten. Sie geht aber nicht von einem Tötungsvorsatz des Arztes aus.

Garik R. absolvierte vor 15 Jahren eine Ausbildung bei dem umstrittenen Schweizer Psychiater Samuel Widmer, der die sogenannte Therapeutisch-Tantrisch-Spirituelle Universität leitet und auf seiner Website ganz offen für die psycholytische Therapie wirbt. Garik R. ist im Seminarprogramm Widmers auch als Referent für eine Veranstaltung im kommenden Jahr aufgeführt.

Widmer hatte bis 1993 die behördliche Erlaubnis, mit psychedelischen Substanzen wie MDMA und LSD in der Schweiz therapeutisch zu arbeiten. Er war Mitgründer der Schweizer Ärztegesellschaft für psycholytische Therapie (Säpt). Er arbeite nur mit genehmigten Substanzen, sagte Widmer. Er müsse daher annehmen, dass Garik R. in seinen Sitzungen "etwas anderes genommen hat, denn meine Substanzen sind ungefährlich", so Widmer. Laut seiner Internetseite bringt er heute nur Ketamin und Ephedrin zur Anwendung. Widmer lebt in einer Hofgemeinschaft im schweizerischen Lüsslingen mit 75 Erwachsenen und 60 Kindern zusammen.

In der Schweiz sind heute Behandlungen mit LSD und MDMA bei regulären Psychotherapien verboten, bei zwei eng begrenzten Forschungsvorhaben aber erlaubt, erklärte der Präsident der Säpt, Peter Gasser, der taz.

Gasser führt im Rahmen einer Studie eine "LSD-unterstützte Psychotherapie" bei Personen mit Angstsymptomatik in Verbindung mit schweren Erkrankungen wie Krebs durch. In den Sitzungen erhalten die Patienten genau dosierte Mengen an LSD, sie werden sorgfältig begleitet und überwacht, ein Beruhigungsmittel steht bereit.

Gruppenbehandlungen wie die von Garik R. seien auch deswegen hochproblematisch, weil man wegen der illegalen Beschaffung nie wirklich wüsste, wie die Dosierung und die Kombinationen in den Substanzen seien, meinte Gasser. Der Fall in Berlin sei "eine furchtbare Tragödie".

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5 Kommentare

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  • G
    Georg

    Hallo,

     

    gestern auf der Titelseite stand im Zusammenhang mit diesem Fall der Begriff "Schamane". Später im Text wurde das dann aber nicht weiter erläutert.

    Was wolltet Ihr mit dem Begriff sagen? Ich sehe den Zusammenhang zum dem unseriös arbeitenden Arzt nicht und freue mich auf eine Erklärung.

     

    Viele Grüße

    Georg

  • R
    Robert

    Und wenn Sie sich nochmal nach dem richtigen Namen erkundigen?

    Aus Gründen des Personenschutzes ist eine falsche Schreibweise nicht mehr nötig. Bild als auch Tagesspiegel haben bereits mehrfach auf die übliche vorverurteilende Weise sowohl den vollen Namen, die Adresse als auch Porträtfotos veröffentlicht.

  • P
    Psychonaut

    Von LSD oder MDMA/MDA stirbt man nicht und fällt auch nicht ins Koma.

  • TK
    Tobias Krause

    Schrecklich, was da passiert ist. Eine genaue Analyse der verwendeten Substanzen steht ja noch aus, aber offenbar wurde von dem Arzt verantwortungslos gehandelt, keine Frage.

     

    Schlimm ist aber auch, dass durch diesen Fall eine ganze Reihe seriöser Forschungsprojekte (wie die beiden in diesem Artikel von Peter Gasser erwähnten) in Verruf gebracht werden, die in den letzten Jahre ganz allmählich den Weg hin (bzw. zurück) zu der Einsicht bereitet hatten, dass Substanzen wie LSD für die Forschung und möglicherweise auch therapeutische Anwendung doch noch ihren Platz finden könnten. Ich fürchte, dieser Fall könnte da die Forschung (bzw. vielmehr die Chance auf Genehmigung derselben) wieder um Jahre zurückwerfen.

     

    Fakt ist, dass beispielsweise LSD und Psilocybin (der Wirkstoff aus psychoaktiven Pilzen) für diesen Vorfall auf keinen Fall verantwortlich gewesen sein können. Die Gefahr von bleibende körperliche Schäden, geschweige denn tödliche Folgen, sind bei diesen Substanzen der Forschung nicht bekannt. Auch MDMA in Reinform kommt eigentlich nicht in Frage.

     

    In der Presse werden aber gestern und heute immer wieder genau diese Substanzen erwähnt. Auf den ersten Blick nachvollziehbar, da man nachlesen kann, dass diese die in psycholytischen Therapien (oder in entsprechenden Forschungsprojekten) üblicherweise eingesetzt werden.

     

    Zum anderen wird aber eben übersehen, dass dies als Erklärung nicht ausreicht, sondern dass vielmehr die Anwendung anderer Substanzen (aus welchem Bereich bzw. auf welche Weise auch immer) zu vermuten ist.

     

    Hier greift dann eben mal wieder die undifferenzierte Wahrnehmung von allem, was "illegale Droge" ist - literweise Wasser auf die Mühlen derer, für die beim Gedanken an jedes nicht-legale Rauschmittel die Assoziation zum Christiane F.-Szenario, zu Sucht und tödlicher Gefahr mitschwingt.

     

    Die TAZ-Berichterstattung meine ich damit übrigens nur am Rande. Viel schlimmer geht's da - naturgemäß - z.b. in der WELT zu, wo zudem bei dieser Gelegenheit gleich auch noch ein Rundumschlag gegen so ziemlich alles im "alternativen" Heilbereich, von Heilpraktikern bis zu Kunsttherapeuten, vollführt wird. Dabei übersieht man dann auch gern, dass es sich ja um einen zugelassenen Arzt handelt...

  • F
    Falk

    neben der menschlichen tragödie ist dieser vorfall auch eine tragödie für all jene, die sich ernsthaft mit der psycholytischen therapie auseinandersetzen. nach diesem ereignis scheint die möglichkeit der zulassung LSD- oder MDMA gestützter psychotherapie in weite ferne grückt zu sein. wie ein studierter mediziner so unverantwortlich handeln kann, ist mr nicht begreiflich. tatsache ist, dass in einer psycholytischen therapie nur eine monosubstanz appliziert werden sollte und diese sitzung nicht als gruppentherapie durchgeführt werden sollte. LSD als monosubstanz verabreicht, besitzt keinerleich nachgewiesenen körperlich- schädigende eigenschaften. es ist schade, dass nun die verfechter von repressionen gegenüber psychoaktiven substanzen ein erstklassiges argument haben, um psycholytische therapieformen weiterhin zu verbieten. im interesse der patientInnen und der verantwortungsvollen therapeutInnen ist dies nicht. es verwundert dennoch, dass dieser fall ein starkes medienecho hervorruft, während die risiken erlaubter substanzen weiterhin unbeachtet bleiben. dabei sind die gefahren vieler psychopharmaka längst bekannt (bspw. das lebensgefärliche serotonin-syndrom durch antidepressiva wie SSRI und teilweise noch ungeklärter langzeitfolgen bei der verabreichung atypischer antipsychotika und modernen nicht- SSRI antidepressiva). hier unterstelle ich mal der pharmalobby eine erstklassige werbestrategie. substanzen wie LSD, die ebenfalls gute effekte erzielen können und um einiges billiger sind als die modernen pharmaka, würden einfach keinen gewinn abwerfen. das überholte drogenverbot bleibt also, die wissenschaftliche untersuchung von therapeutischen möglichkeiten bisher illegaler substanzen bleibt auf der strecke und die patientInnen sind verunsicherter- großartige leistung durch einen arzt, der anscheinend nicht mal im fachgebiet psychiatrie einen abschluss besitzt.