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Totale Falschinformation

■ Ausländerbehörde dementiert energisch eigenen Abschiebungsbeschluss

Von einer bevorstehenden Abschiebung kann keine Rede sein“, weiß Ausländerbehördensprecher Peter Keller: „Das ist eine totale Falschinformation.“ Problem dabei: Die „Falschinformation“ kommt aus derselben Quelle wie ihr entschiedenes Dementi. Am 28. Februar erhielt die „Familie D.“ in der Behörde eine schriftliche „Abschiebungsankündigung“. Darin heißt es: „Es wird ausdrücklich da-rauf hingewiesen, dass Ihre Abschiebung auch kurzfristig, innerhalb von 1-2 Tagen erfolgen kann.“

Die kurdische Familie aus der Türkei lebt seit 1992 in Hamburg. Der Mutter von drei Kindern attes-tierte das Gesundheitsamt mehrfach schwerwiegend psychische Probleme mit „posttraumatischen“ und hochgradig „depressiven Symptomen. Jede „weitere Belastung, insbesondere eine ... bevorstehende Abschiebung“ würde danach „zu einer weiteren Verschlechterung“ des Gesundheitszustandes bis hin zu einer akuten Selbstmordgefahr führen. In dem amtsärztlichen Attest vom März 2001 wird ganz explizit die Ausländerbehörde dafür verantwortlich gemacht, da „die ständig drohende Abschiebung und jeweils kurz bemessenen Zeiträume für die Verlängerung einer Duldung bisher eine Besserung des Gesundheitszustandes verhinderten“.

Trotz dieser Diagnose verringerte die Ausländerbehörde in den vergangenen Monaten die Duldungsfristen für die 41-Jährige weiter. Immerhin legt ein zwischen Behörde und der Familie abgeschlossener Vergleich inzwischen rechtswirksam fest, dass eine Aufenthaltsbefugnis erteilt wird, wenn eine weitere amtsärztliche Untersuchung der Frau erneut ein „auf unabsehbare Zeit gesundheitlich begründetes Abschiebehindernis“ attestiert.

Doch die Behörde meldete die Untersuchung einfach nicht an, ein „Versehen“, wie Sprecher Peter Keller betont. Er räumt ein, dass seine Behörde den Vergleich weiterhin als „bindend“ bewertet.

Die „Abschiebungsankündigung“ aber besagt das Gegenteil: Um die drohende „Rückführung“ zu verhindern, sah sich die fünfköpfige Familie genötigt, vorläufig unterzutauchen. Marco Carini

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