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Tortenwurf gegen spanische PolitikerinAnschlag mit Eiweißschnee

Spaniens höchstes Gericht hat vier Umweltaktivisten wegen eines Tortenwurfs gegen eine Politikerin verurteilt. Das Opfer hatte neun Jahre Haft gefordert.

Torten vor Gericht: Richtig ausgeführt macht eine Tortenschlacht viel Spaß. Bild: imago/Olaf Döring

MADRID taz | Spaniens Oberster Strafgerichtshof, die Audiencia Nacional, hat drei Angeklagte aus dem nordspanischen Navarra – darunter der stellvertretende Bürgermeister des 114 Seelen-Dörfchens Arruaza am Rande der Pyrenäen - zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, der konservativen Chefin der Autonomieregierung Navarras, Yolanda Barcina, 2011 im französischen Toulouse Torten ins Gesicht gedrückt zu haben.

Barcina hatte den Vorsitz eines grenzübergreifenden Treffens der Pyrenäenanrainer inne. Das Gericht sah den Straftatbestand des „Anschlags auf die Autorität“ gegeben. Ein weiterer Angeklagter wurde zu einem Jahr verurteilt. Er soll Beihilfe geleistet haben. Alle vier müssen außerdem jeweils eine Strafe von 900 Euro bezahlen. Haftstrafen bis zu zwei Jahren werden üblicherweise in Spanien auf Bewährung ausgesetzt.

Die Vier bestritten für die Tat aus Protest gegen den Bau einer umstrittenen Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke durch Navarra verantwortlich zu sein. Sie seien am fraglichen Tag nicht einmal in Toulouse gewesen. Die Richter sahen dies anders. Zeugen hätten sie vor Ort gesehen.

„Es gab eine gewalttätige körperliche Aktion, bei der das Opfer bis zu drei Mal von Torten getroffen wurde. Es handelt sich dabei nicht um ein gefährliches Objekt, das geeignet wäre Verletzungen hervorzurufen. Das war nicht das Ziel. Aber es war körperliche Gewalt“, heißt es im Urteil. „Mit Gesicht und Kopf voller Eiweißschnee versuchte sie völlig unbeholfen den Saal zu verlassen, bis ein Leibwächter zu ihr vordringen konnte, sie unter den Arm griff und hinausführte“, beschreiben die Richter die Folgen des „Anschlages“.

Kein Scherz sondern Aggression

Die getroffene Politikerin zeigte sich „unzufrieden mit dem Urteil“. „Das war eine Aggression, kein Scherz und auch keine Protestaktion“, erklärte Barcina nach der Urteilsverkündung. Sie hatte für die Angeklagten eine Strafe von neun Jahren Haft gefordert. Die Staatsanwalt hatte auf fünf Jahre Haft plädiert.

Die vier Verurteilten gehören der Bürgerinitiative MUGITU an. Diese verlangt einen Baustopp der Hochgeschwindigkeitstrasse. Die Bahnstrecke hätte schwere Umweltschäden zur Folge. Der wegen Beihilfe Verurteilte hatte die Tortenaktion im Namen von MUGITU als Mittel um „Aufmerksamkeit zu erregen“ begrüsst. In einem Interview verteidigte er die Aktion als „Spassaktion“.

„Sie fordern Haftstrafen für die drei Tortenwerfer, während Barcina eine Sparkasse ausnimmt und ihr nichts passiert“, hatte sich eine MUGITU-Sprecherin vor der Urteilsverkündung beschwert. Der Oberste Gerichtshof in Madrid hatte im Sommer ein Verfahren gegen die Regierungschefin von Navarra eingestellt, obwohl diese zugegeben hatte, jahrelang viel zu hohe Diäten für Sitzungen einer Kommission der regionalen Sparkasse eingestrichen zu haben, in dem mehrere Sitzungen am gleichen Tag einberufen wurden.

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19 Kommentare

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  • Oder: Ein deutscher Polizist schlägt und vergewaltigt seine Freundin und bekommt 11 Monate auf Bewährung.

  • L
    Lüdde

    Wie kommt es eigentlich das ein SPANISCHES Gericht über eine Tat entscheidet, die in FRANKREICH begangen wurde?

     

    Weiß irgendjemand was darüber ?

  • Putins Russland scheint das neue Modell für Demokratie und Gerechtigkeit zu werden.

     

    In Russland sind es die Arctic 30 von Greenpeace, denen wegen "Rowdietums" gegen Gazprom hohe Haftstrafen drohen. In Amerika soll der Schauspieler Billy Talen wegen einer harmlosen Performance in einer Bank (JP Morgan Chase) hinter Gitter. Und in Spanien fordert die (konservative) Barcina 9 Jahre Haft für einen Tortenwurf!

     

    Wobei es natürlich nicht ganz klar ist, ob solche Fälle in letzter Zeit wirklich häufiger vorkommen oder ob besonders spektakuläre Fälle die Sensibilität erhöht haben, und diese Form von Ungerechtigkeit und die versuchte Kriminalisierung von Aktivismus daher einfach deutlicher hervortreten.

     

    Man kann natürlich auch darüber nachdenken, welche Interpretation ein düstereres Bild ergibt. Oh tempora, oh mores.

    • @Austro Finne:

      Vielleicht befinden wir uns schon in einer totalitären Welt und haben es blos noch nicht gemerkt.

      • @anteater:

        Tja, wenn ich mir die klassischen Dystopien und Utopien anschaue und mit dem vergleiche, was mir aus der Welt heute so zu Ohren kommt, erkenne ich leider ziemlich viel Orwell, Bradbury und Huxley und nur sehr wenig Roddenberry. "Wir" merken Totalitarismus erst wenn uns der Magen knurrt und/oder die Peitsche knallt.

  • AG
    ALI G

    @ NTRIS

     

    "Neun Jahrev gabs ja auch nicht,nur eine gerechte Strafe"

     

    Gerecht?! Haben Sie in Ihrem Leben JEMALS den Begriff der "Verhältnismäßigkeit" gehört?

     

    Wenn Sie das für gerecht halten, werden jugendlichen Steinwerfern demnächst die Hände abgehackt?

     

    Unfassbar autoritätshörig!

    Für Sie war das wohl Majestätsbeleidigung oder was?

     

    Leben Sie in einer Monarchie?

     

    Ich hoffe inständig, Sie meinten das ironisch!

  • AG
    ALI G

    @ ANTEATER

     

    "Die Anklage fordert neun, die Staatsanwaltschaft fünf Jahre Haft. Für einen Tortenwurf?"

     

    Ja, hier in Deutschland bekommt eine Horde mit Migrationshintergrund für den gemeinschaftlichen Mord an Johnny K. in Berlin zwischen 2 und 4 Jahren Haft, die wahrscheinlich nicht einmal komplett abgesessen werden müssen.

     

    Für M O R D !!!!

     

    Was für eine Verhältnismäßigkeit!

  • J
    Jonson

    Haha, was für eine Heulsuse!

  • N
    noeffbaux

    Spanien hat sich, was seine Regierung angeht, leider nie vom Faschismus lossagen können. Schöne Sch***!

    • W
      Wurzelkoch
      @noeffbaux:

      Schland sitzt da auch noch gaanz tief drin.

      Sachsen zumindest.

      Hier gibt es für den -zwar belegten, aber nicht zuzuordnenden- Spruch „Kommt nach vorne“ durch ein Megaphon 22 Monate ohne Bewährung für einen nicht vorbestraften Familienvater - Und die Staatsanwaltschaft legt Berufung ein, weil ihr das Urteil zu milde ist.

  • B
    beat

    Und am darauffolgenden Tage demonstrierten sie gegen Massentierhaltung und gegen Lebensmittelverschwendung, oder?

     

    Umweltschützern ist es wohl egal, dass ein Huhn diese Eier gelegt hat.

     

    Und nicht mal den Mut haben, zu den eigenen Taten zu stehen.

  • Die Anklage fordert neun, die Staatsanwaltschaft fünf Jahre Haft. Für einen Tortenwurf? Da haben die "Täter" aber gehöriges Glück gehabt, dass der Richter/die Richterin im Verhältnis dazu seine/ihre Sinne beisammen hatte.

     

    Man merkt aber sehr gut, wie der Hase da ganz offensichtlich läuft, wenn sowohl Anklage als auch Staatsanwaltschaft derart überzogenes Strafmaß fordert. Setzt man das ins Verhältnis zu den Haftstrafen, die so mancher NS-Verbrecher absitzen durfte, dann waren die Prozesse von Nürnberg sehr, sehr milde.

  • Da lacht Franco sicher aus seinem Grab. Eierschaum und Wattebällchen, was passiert da mit Kindern die Steine werfen?

  • V
    VerletzteSeelenEntwickelnAbgründe

    Korrupt sein, eine 114 Einwohnergemeinde, um die materielle Existenz als Tourismusgebiet schwer beschädigen, ihren Immobilienbesitz stark wertzumindern und dann wegen 3 Torten heulen, Dauerlärm und

    Artenschwund hervorrufen, das sind die Richtigen! Spanien ist eben immer noch nicht von der Franco-Diktatur geheilt, wenn solche Forderungen nach 9 Jahren Haft von PolitikerInnen

    öffentlich formuliert werden dürfen ohne sie unwählbar zu machen. Böse wird die Sache, wenn die Torten gefährlich manipuliert, die Leute multiallergen sind oder

    ein Erstickungsversuch

    überdeckt werden sollte. Das war hier nicht der Fall.

    Die Geldstrafe war angemessen oder hätte höher sein können(max. 2000€), die Bewährungsstrafe von 2 Jahren ist viel zu hoch,

    ein viertel Jahr hätte gereicht ohne Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis!

    Jeder Job hat ein Berufsrisiko,

    und ein Tortenwurf ist ein mildes Berufsrisiko im Vergleich zu Arbeiten auf dem Bau, auf Müllkippen, im Umgang

    Schwerstkriminellen, Drogensüchtigen, Schlachtfeld usw. . Es ist ein sehr mildes und extrem gut bezahltes Berufsrisiko. Korrupte PoliterInnen werden immerhin in China getötet!!

  • F
    Fardreamer

    einziger kommentar zur forderung der politikerin:

     

    WHAT THE FUCK?!?

  • Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.

    Neun Jahre Haft, die spinnt doch...

    • S
      Störtebekker
      @vic:

      Neun Jahre Haft? Gehts noch? Wegen was denn? Etwas Majestätsbeleidigung? Da sieht man mal in welchen Höhen unsere Eliten so schweben. Zeit das sie wieder auf den Boden kommen, sonst könnten sie sehr tief fallen.

    • N
      ntris
      @vic:

      Neun Jahrev gabs ja auch nicht,nur eine gerechte Strafe

      • @ntris:

        Tja, Gerechtigkeit ist offensichtlich nicht nur in Ihren Augen ein dehnbarer Begriff.