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Tornados über HeiligendammEinschüchterung mit Kampfflugzeugen

Zwei Grüne klagen gegen den Tornado-Einsatz der Bundeswehr 2007 in Heiligendamm. Sie argumentieren, der Lärm sei schockierend gewesen.

Ein Lager der Globalisierungsgegner nahe Heiligendamm wurden aus dem Tornado heraus überwacht. Bild: AP

KARLSRUHE taz | Der Tornado-Jet donnerte im Tiefflug über das Camp der Demonstranten hinweg. Jetzt muss das Verwaltungsgericht Schwerin klären, ob der Einsatz der Luftwaffe beim G-8-Gipfel von Heiligendamm rechtmäßig war. Geklagt haben zwei junge Grünen-Politiker.

Tausende Demonstranten sammelten sich im Juni 2007 nahe dem Ostseebad Heiligendamm, um gegen den G-8-Gipfel zu demonstrieren. Im Camp Reddelich war auch die Grüne Jugend vertreten, deren damalige Bundessprecher Jan Philipp Albrecht und Paula Riester jetzt Kläger sind.

Der Überflug des "Düsenkampfflugzeugs" habe auf die Demonstranten eine "nachhaltig schockierende und verunsichernde Wirkung" gehabt, heißt es in der Klageschrift. Sie hätten damit gerechnet, dass die Armee weiteres "Kriegsgerät" einsetzen wird. Dies habe die Campteilnehmer bei der Vorbereitung von Demonstrationen "eingeschüchtert" und ihre "Unbefangenheit" beeinträchtigt.

Albrecht und Riester machen geltend, dass die Aufklärungskameras der Tornados aus 1.000 Meter Höhe sogar Kfz-Kennzeichen lesbar fotografieren können. Deshalb müssten sie damit rechnen, dass auch sie erkennbar abgebildet wurden. Für solche Aufnahmen gebe es aber keinerlei Rechtsgrundlage, sie seien daher unzulässig.

"Amtshilfe" für Polizei

Die Bundeswehr war in Heiligendamm in "Amtshilfe" für die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern tätig. Offiziell sollten die Tornados "Bodenveränderungen" feststellen. Man wollte verhindern, dass die Demonstranten Erddepots mit Werkzeugen anlegen und Straßen unterhöhlen.

Das Land habe keine Rechte der Demonstranten beeinträchtigt. Die Kanonen der Tornados seien abmontiert gewesen, die Auflösung der Aufnahmen habe nicht genügt, um Personen zu identifizieren. Ob bereits am Donnerstag eine Entscheidung erfolgt, ist ungewiss.

Albrecht und Riester haben ihre Klage 2007 eingereicht. Das Verwaltungsgericht verhandelt erst jetzt darüber, weil es den Ausgang eines Verfahrens am Bundesverfassungsgericht abwarten wollte. Dort wurde im Juni 2010 eine Klage der grünen Bundestagsfraktion gegen den Bundeswehreinsatz abgelehnt. Für derartige Inlandseinsätze sei keine Zustimmung des Bundestags erforderlich.

Jan Philipp Albrecht ist heute Europaabgeordneter der Grünen. Paula Riester Fraktionsvorsitzende der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin.

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4 Kommentare

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  • RD
    Rainer David W. Früh

    eieiei, wenn´s nicht sogar Folter war!

    Alleine schon der Gedanke, dass jetzt Raketen gegen die friedlichen Demonstranten von den Tornados abgeschossen werden.....

    Alle jetzt traumatisiert bis ans Lebensende, was jetzt Berufs- ach was, nein, Erwerbsunfähigkeit bedeutet und alle müssen jetzt mit Mitte dreißig vorzeitig in Pension (bei fortlaufenden Bezügen) gehen! Dieser Unrechtsstaat, diese Diktatur aber auch!

    Frau Roth, Ihr Einsatz?

  • W
    Webmarxist

    Der Bundestag muss den Bundeswehreinsatz in Innern zustimmen. Die Bundeswehr ist für das Ausland zuständig, nicht für das Inland. Es sei denn geht um den Katastropheschutz beim Hochwasser und anderen extremen Witterungsbedingungen.

  • A
    aurorua

    Offiziell sollten die Tornados "Bodenveränderungen" feststellen. Man wollte verhindern, dass die Demonstranten Erddepots mit Werkzeugen anlegen und Straßen unterhöhlen.

    Das Menschen die sich solche irrwitzigen Ausreden einfallen lassen Beamte mit Pensionsanspruch sind, beweist einmal mehr das im Sinne von Demokratie längst alles zu spät ist.

    Psychoterror, Angst und Schrecken verbreiten, völlig undemokratische Machtdemonstration und natürlich personenbezogene Fotos, das wären schlüssige Argumente für diesen Einsatz auf Steuerzahlers Kosten.

  • V
    vic

    "Show of Force", nennt das die US-Army.

    "Muskeln zeigen". Es soll Angst verbreiten und Menschen zutiefst erschrecken.

    Das hat im Inland nichts zu suchen, schon gar nicht bei einer- nach dem Grundgesetz legalen- Demonstration.