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Tornado-EinsätzeReady for Take Off

Karlsruhe gibt grünes Licht für Nato-Einsätze in allen Gebieten "ohne oder mit nur begrenzter effektiver Staatsgewalt".

Alles richtig gemacht: Verteidigungsminister Jung verabschiedete die Tornados in Richtung Afghanistan Bild: dpa

Die Linksfraktion ist mit ihrem Versuch gescheitert, die Bundeswehr-Tornados aus Afghanistan zurückzuholen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts lehnte gestern eine entsprechende Klage von Gregor Gysi und seiner Fraktion ab.

Drei Mandate

Für den Einsatz von bis zu 3.600 Bundeswehrsoldaten hat der Bundestag drei Mandate beschlossen.

Operation Enduring Freedom: In Afghanistan kämpfen unter diesem Mandat rund 13.000 Soldaten - die meisten von ihnen sind US-Amerikaner. Deutschland stellt 100 Soldaten zur Verfügung, dabei handelt es sich um Spezialkräfte der KSK. Nach Angaben von Verteidigungsminister Jung wurde das KSK seit 2005 aber nicht mehr unter OEF eingesetzt. Jedoch waren sie seitdem unter Isaf im Einsatz. Im Gegensatz zur Isaf hat die OEF kein Mandat der UNO. Grundlage sind hier zwei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats.

Isaf: In der mehr als 36.000 Mann starken Schutztruppe sind bis zu 3.000 deutsche Soldaten engagiert. Aufgabe der Isaf ist es, Sicherheit und Stabilität im Land herzustellen. Die Bundeswehr hat die Verantwortung für den Norden übernommen. Diese Region ist im Vergleich zum umkämpften Süden und Osten ruhig.

Tornados: Seit dem Frühjahr sind sechs Aufklärungs-Tornados der Bundeswehr für die Isaf im Einsatz. Sie sollen Taliban-Stellungen ausfindig machen. Bis zu 500 deutsche Soldaten können dafür nach Afghanistan geschickt werden. Derzeit sind rund 200 dort. DPA

Im März entsandte der Bundestag sechs Tornado-Aufklärungsflugzeuge nach Afghanistan. Sie gehören zur UN-mandatieren Isaf-Truppe, der sie auch die Bilder liefern. In Einzelfällen können die Aufklärungsergebnisse jedoch an die US-geführte Operation Enduring Freedom (OEF) weitergegeben werden.

"Die Bundeswehr ist kein Verteidigungsbündnis mehr, sondern ein weltweiter Sicherheitsdienstleister", hatte Gysi bei der mündlichen Verhandlung im April kritisiert. Der seit 2002 laufende Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sei nicht mehr vom Nato-Vertrag aus dem Jahr 1955 gedeckt, dieser hätte vom Parlament geändert werden müssen. Die Zusammenarbeit mit OEF mache den ganzen Einsatz völkerrechtswidrig, denn sechs Jahre nach den Anschlägen vom 11. 9. 2001 könnten sich die USA in Afghanistan nicht mehr auf Selbstverteidigung berufen, so Gysi.

Die Verfassungsrichter sahen jedoch keine Rechte des Bundestags verletzt. Sie bestätigten vielmehr die Aussage des damaligen Verteidigungsministers Peter Struck aus dem Jahr 2002: "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt."

Im Karlsruher Urteil heißt es nun: "Der Nato-geführte Isaf-Einsatz in Afghanistan dient der Sicherheit des euro-atlantischen Raums." Die Richter erinnern daran, dass al-Qaida in Afghanistan einen "wesentlichen Rückzugsraum" hatte. Wenn das Land stabilisiert werde, nutze dies nicht nur der dortigen Bevölkerung, sondern auch den Nato-Staaten. Dies sei keine Ausweitung des Nato-Vertrags, so Karlsruhe. Dieser habe nach einem Angriff schon immer Einsätze auf dem gegnerischen Gebiet zugelassen, um den Aggressor dauerhaft zu befrieden.

Die Richter geben nun aber sogar grünes Licht für Nato-Einsätze in allen Gebieten "ohne oder mit nur begrenzter effektiver Staatsgewalt", da diese "potenzielle Rückzugsräume für international operierende terroristische Gruppierungen darstellen". Insofern ging die Klage der Linken ziemlich nach hinten los.

Andere Teile des Urteils haben Gysi gestern dagegen besser gefallen. So betonte das Gericht, dass Deutschland nur Bündnisverträgen mit friedlichen Zielen angehören darf. Die Friedenspflicht gelte auch für den weiteren Verbleib in solchen Bündnissen. Das heißt, wenn die Nato zum Kriegsbündnis würde, müsste Deutschland austreten. Dem Bundestag wurde dabei ausdrücklich eine Wächterrolle zugewiesen. Das Parlament (oder eine Fraktion) müsste im Streitfall das Bundesverfassungsgericht anrufen.

Der Afghanistan-Einsatz ist nach Karlsruher Analyse allerdings kein Beleg für eine unfriedliche Entwicklung der Nato. Die Nato-geführte Isaf-Truppe habe schon deshalb nicht gegen das Gewaltverbot der UN-Charta verstoßen, weil sie regelmäßig ein Mandat des UN-Sicherheitsrats erhielt.

Auch die Zusammenarbeit mit der US-geführten OEF-Truppe verändere den Charakter der Nato nicht. Dabei fällt auf, wie wortreich die Verfassungsrichter die Frage umgingen, ob OEF generell oder bei einzelnen Einsätzen gegen das Völkerrecht verstößt. Dies sei nicht zu entscheiden, hieß es gestern, weil Isaf und OEF ja deutlich getrennt seien. Eine Personenverflechtung ("Doppelhut") gebe es nur im östlichen Regionalkommando, nicht aber im Isaf-Hauptquartier in Kabul.

Die Bundeswehr-Tornados könnten auch nur von Isaf angefordert werden, Isaf entscheide außerdem allein, ob die Weitergabe von Aufklärungsergebnissen an Enduring Freedom "erforderlich" ist. Eventuelle einzelne OEF-Exzesse könnten nicht den Charakter von Isaf infrage stellten. Letztlich sei die Kooperation mit OEF auch deshalb unschädlich, weil sie vom UN-Sicherheitsrat schon in mehreren Resolutionen gewünscht worden war.

Gregor Gysi sagte nach der Urteilsverkündung: "Unsere Klage war ein wichtiger Beitrag zur Diskussion um den Afghanistan-Einsatz und hat mit dazu geführt, dass heute eine Mehrheit der Bevölkerung für den Abzug der Bundeswehr ist." Die Linke werde sich nun wieder politisch für ein Ende von Isaf einsetzen.

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9 Kommentare

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  • ML
    Manfred Leickel

    Dieses Karlsruher Urteil ist keine Niederlage der Linksfraktion. Verloren haben alle friedliebenden Menschan in dieser BRD. Nachdem die Parteien die Abgeordneten schon zum Stimmvieh degradiert haben, ist Karlsruhe jetzt einen weiteren Schritt zur Entmachtung der Volksvertreter gegangen. Deutschland darf wieder Krieg führen, obwohl das Grundgesetz dies ausdrücklich verbietet, und das Verfassungsgericht spielt die Musik dazu.

  • HV
    Hans-Joachim Viehl, Frankfurt am Main

    Unverständliches Urteil zum Tornado-Einsatz

     

    Mit dem völlig unverständlichen Urteil zum Tornado-Einsatz in Afghanistan stehen die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf extrem dünnem Eis. Man fragt sich als kritischer Bürger in welcher geistigen Verfassung die Richter zu so einer Entscheidung kommen konnten. Mit solchen Urteilen wird das Grundgesetz immer weiter ausgehöhlt und verwässert. Offenbar hat die neoliberale Hegemonie mittlerweile nicht nur die Parteien und Medien im eisernen Würgegriff, sondern zunehmend auch die (Un)Rechtssprechung des Verfassungsgerichts. Wo die Verfassung, nicht erst seit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen, von den etablierten Parteien und zunehmend auch von den Verfassungsrichtern immer mehr der Beliebigkeit preisgegeben wird, kann man sie auch gleich ganz abschaffen oder im Sinne der Lobbyisten aus Wirtschaft und Industrie und deren neoliberalen Think Tanks umschreiben lassen.

     

    Da werden in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Operationen der Tornado-Aufklärungsflugzeuge mit der Gefahr gerechtfertigt, die vonseiten der Taliban-Rebellen ohne den Einsatz der Internationalen Schutztruppe ISAF für das Nato-Gebiet ausgehen könnte. Eine Annahme, die rein fiktiv ist und nirgends glaubhaft bewiesen wird. Es bleibt nach dem Urteil auch weiterhin zweifelhaft, ob sich unzulässige Überschneidungen des ISAF-Einsatzes mit der Operation Enduring Freedom wirklich ausschließen lassen. Jene völkerrechtswidrige Operation Enduring Freedom, mit der die USA unter höchst fragwürdiger Berufung auf das UNO-Statut nach dem Angriff vom 11. September 2001 auf ihr Territorium, unter dem Vorwand sogenannter ?Selbstverteidigung? in Afghanistan Jagd auf Terroristen macht. Und den, mit ihren Bombardements damit billigend in Kauf genommen Tod Tausender unschuldiger Zivilisten, Frauen und Kindern, anschließend scheinheilig als Kollateralschäden bedauern.

     

    Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass die Erkenntnisse der im ISAF-Rahmen operierenden Tornado-Aufklärungsflugzeuge auch an die OEF-Kräfte weitergegeben werden. Mit dem Urteil zugunsten der Verantwortlichen in Politik und Bundeswehr haben die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts angenommen und auf die Angaben der Bundeswehr vertraut, dass es bei der Weitergabe der Aufklärungserkenntnisse immer mit rechten Dingen zugehen würde. Die zu Recht, nach dem Richterspruch von Linke-Parteichef Gysi geäußerte Skepsis, dass die strikte Trennung zwischen ISAF und OEF wahrscheinlich nicht immer wirklich eingehalten wird, bleibt aber nach wie vor im Raum.

     

    Das Karlsruher Urteil belegt durch die darin enthaltene Feststellung, der ISAF-Einsatz diene letztlich der Sicherheit des Nato-Gebiets (sprich: Deutschland wird am Hindukusch verteidigt), und damit zulässig und ?verfassungskonform? dient den Minderheiten-Interessen der derzeitigen deutschen Regierungspolitik. Den Interessen und dem eindeutigen Willen der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung, die einen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan fordert, dient dieses Urteil nicht. Argumentativ und sachlich liegen die Richter damit, ebenso wie die amtliche Politik, völlig daneben. Die Annahmen der Verfassungsrichter werden durch das Wiedererstarken der Taliban in Afghanistan, trotz des ISAF-Einsatzes (!) und die neuesten terroristischer Anschläge in Großbritannien längst widerlegt. Nach diesem Urteil wird sich die Gefährdungslage für terroristische Anschläge auch in Deutschland deutlich erhöhen.

     

    Die wachsende Erkenntnis, dass man Terrorismus nicht mit militärischen Mitteln bekämpfen kann, sondern nur in dem man die Ausbeutung, Unterdrückung und Armut in der Welt bekämpft, ist offenbar zu unseren Verfassungsrichtern noch nicht durchgedrungen.

  • IS
    Ingo Schwebel

    "Wenn das Land stabilisiert werde..."

    Wie der Irak, oder was? Die OEF ist gescheitert. Es würde vielen gut tun, das mal zu realisieren.

  • ML
    Manfred Leickel

    Dieses Karlsruher Urteil ist keine Niederlage der Linksfraktion. Verloren haben alle friedliebenden Menschan in dieser BRD. Nachdem die Parteien die Abgeordneten schon zum Stimmvieh degradiert haben, ist Karlsruhe jetzt einen weiteren Schritt zur Entmachtung der Volksvertreter gegangen. Deutschland darf wieder Krieg führen, obwohl das Grundgesetz dies ausdrücklich verbietet, und das Verfassungsgericht spielt die Musik dazu.

  • HV
    Hans-Joachim Viehl, Frankfurt am Main

    Unverständliches Urteil zum Tornado-Einsatz

     

    Mit dem völlig unverständlichen Urteil zum Tornado-Einsatz in Afghanistan stehen die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf extrem dünnem Eis. Man fragt sich als kritischer Bürger in welcher geistigen Verfassung die Richter zu so einer Entscheidung kommen konnten. Mit solchen Urteilen wird das Grundgesetz immer weiter ausgehöhlt und verwässert. Offenbar hat die neoliberale Hegemonie mittlerweile nicht nur die Parteien und Medien im eisernen Würgegriff, sondern zunehmend auch die (Un)Rechtssprechung des Verfassungsgerichts. Wo die Verfassung, nicht erst seit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen, von den etablierten Parteien und zunehmend auch von den Verfassungsrichtern immer mehr der Beliebigkeit preisgegeben wird, kann man sie auch gleich ganz abschaffen oder im Sinne der Lobbyisten aus Wirtschaft und Industrie und deren neoliberalen Think Tanks umschreiben lassen.

     

    Da werden in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Operationen der Tornado-Aufklärungsflugzeuge mit der Gefahr gerechtfertigt, die vonseiten der Taliban-Rebellen ohne den Einsatz der Internationalen Schutztruppe ISAF für das Nato-Gebiet ausgehen könnte. Eine Annahme, die rein fiktiv ist und nirgends glaubhaft bewiesen wird. Es bleibt nach dem Urteil auch weiterhin zweifelhaft, ob sich unzulässige Überschneidungen des ISAF-Einsatzes mit der Operation Enduring Freedom wirklich ausschließen lassen. Jene völkerrechtswidrige Operation Enduring Freedom, mit der die USA unter höchst fragwürdiger Berufung auf das UNO-Statut nach dem Angriff vom 11. September 2001 auf ihr Territorium, unter dem Vorwand sogenannter ?Selbstverteidigung? in Afghanistan Jagd auf Terroristen macht. Und den, mit ihren Bombardements damit billigend in Kauf genommen Tod Tausender unschuldiger Zivilisten, Frauen und Kindern, anschließend scheinheilig als Kollateralschäden bedauern.

     

    Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass die Erkenntnisse der im ISAF-Rahmen operierenden Tornado-Aufklärungsflugzeuge auch an die OEF-Kräfte weitergegeben werden. Mit dem Urteil zugunsten der Verantwortlichen in Politik und Bundeswehr haben die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts angenommen und auf die Angaben der Bundeswehr vertraut, dass es bei der Weitergabe der Aufklärungserkenntnisse immer mit rechten Dingen zugehen würde. Die zu Recht, nach dem Richterspruch von Linke-Parteichef Gysi geäußerte Skepsis, dass die strikte Trennung zwischen ISAF und OEF wahrscheinlich nicht immer wirklich eingehalten wird, bleibt aber nach wie vor im Raum.

     

    Das Karlsruher Urteil belegt durch die darin enthaltene Feststellung, der ISAF-Einsatz diene letztlich der Sicherheit des Nato-Gebiets (sprich: Deutschland wird am Hindukusch verteidigt), und damit zulässig und ?verfassungskonform? dient den Minderheiten-Interessen der derzeitigen deutschen Regierungspolitik. Den Interessen und dem eindeutigen Willen der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung, die einen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan fordert, dient dieses Urteil nicht. Argumentativ und sachlich liegen die Richter damit, ebenso wie die amtliche Politik, völlig daneben. Die Annahmen der Verfassungsrichter werden durch das Wiedererstarken der Taliban in Afghanistan, trotz des ISAF-Einsatzes (!) und die neuesten terroristischer Anschläge in Großbritannien längst widerlegt. Nach diesem Urteil wird sich die Gefährdungslage für terroristische Anschläge auch in Deutschland deutlich erhöhen.

     

    Die wachsende Erkenntnis, dass man Terrorismus nicht mit militärischen Mitteln bekämpfen kann, sondern nur in dem man die Ausbeutung, Unterdrückung und Armut in der Welt bekämpft, ist offenbar zu unseren Verfassungsrichtern noch nicht durchgedrungen.

  • IS
    Ingo Schwebel

    "Wenn das Land stabilisiert werde..."

    Wie der Irak, oder was? Die OEF ist gescheitert. Es würde vielen gut tun, das mal zu realisieren.

  • ML
    Manfred Leickel

    Dieses Karlsruher Urteil ist keine Niederlage der Linksfraktion. Verloren haben alle friedliebenden Menschan in dieser BRD. Nachdem die Parteien die Abgeordneten schon zum Stimmvieh degradiert haben, ist Karlsruhe jetzt einen weiteren Schritt zur Entmachtung der Volksvertreter gegangen. Deutschland darf wieder Krieg führen, obwohl das Grundgesetz dies ausdrücklich verbietet, und das Verfassungsgericht spielt die Musik dazu.

  • HV
    Hans-Joachim Viehl, Frankfurt am Main

    Unverständliches Urteil zum Tornado-Einsatz

     

    Mit dem völlig unverständlichen Urteil zum Tornado-Einsatz in Afghanistan stehen die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf extrem dünnem Eis. Man fragt sich als kritischer Bürger in welcher geistigen Verfassung die Richter zu so einer Entscheidung kommen konnten. Mit solchen Urteilen wird das Grundgesetz immer weiter ausgehöhlt und verwässert. Offenbar hat die neoliberale Hegemonie mittlerweile nicht nur die Parteien und Medien im eisernen Würgegriff, sondern zunehmend auch die (Un)Rechtssprechung des Verfassungsgerichts. Wo die Verfassung, nicht erst seit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen, von den etablierten Parteien und zunehmend auch von den Verfassungsrichtern immer mehr der Beliebigkeit preisgegeben wird, kann man sie auch gleich ganz abschaffen oder im Sinne der Lobbyisten aus Wirtschaft und Industrie und deren neoliberalen Think Tanks umschreiben lassen.

     

    Da werden in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Operationen der Tornado-Aufklärungsflugzeuge mit der Gefahr gerechtfertigt, die vonseiten der Taliban-Rebellen ohne den Einsatz der Internationalen Schutztruppe ISAF für das Nato-Gebiet ausgehen könnte. Eine Annahme, die rein fiktiv ist und nirgends glaubhaft bewiesen wird. Es bleibt nach dem Urteil auch weiterhin zweifelhaft, ob sich unzulässige Überschneidungen des ISAF-Einsatzes mit der Operation Enduring Freedom wirklich ausschließen lassen. Jene völkerrechtswidrige Operation Enduring Freedom, mit der die USA unter höchst fragwürdiger Berufung auf das UNO-Statut nach dem Angriff vom 11. September 2001 auf ihr Territorium, unter dem Vorwand sogenannter ?Selbstverteidigung? in Afghanistan Jagd auf Terroristen macht. Und den, mit ihren Bombardements damit billigend in Kauf genommen Tod Tausender unschuldiger Zivilisten, Frauen und Kindern, anschließend scheinheilig als Kollateralschäden bedauern.

     

    Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass die Erkenntnisse der im ISAF-Rahmen operierenden Tornado-Aufklärungsflugzeuge auch an die OEF-Kräfte weitergegeben werden. Mit dem Urteil zugunsten der Verantwortlichen in Politik und Bundeswehr haben die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts angenommen und auf die Angaben der Bundeswehr vertraut, dass es bei der Weitergabe der Aufklärungserkenntnisse immer mit rechten Dingen zugehen würde. Die zu Recht, nach dem Richterspruch von Linke-Parteichef Gysi geäußerte Skepsis, dass die strikte Trennung zwischen ISAF und OEF wahrscheinlich nicht immer wirklich eingehalten wird, bleibt aber nach wie vor im Raum.

     

    Das Karlsruher Urteil belegt durch die darin enthaltene Feststellung, der ISAF-Einsatz diene letztlich der Sicherheit des Nato-Gebiets (sprich: Deutschland wird am Hindukusch verteidigt), und damit zulässig und ?verfassungskonform? dient den Minderheiten-Interessen der derzeitigen deutschen Regierungspolitik. Den Interessen und dem eindeutigen Willen der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung, die einen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan fordert, dient dieses Urteil nicht. Argumentativ und sachlich liegen die Richter damit, ebenso wie die amtliche Politik, völlig daneben. Die Annahmen der Verfassungsrichter werden durch das Wiedererstarken der Taliban in Afghanistan, trotz des ISAF-Einsatzes (!) und die neuesten terroristischer Anschläge in Großbritannien längst widerlegt. Nach diesem Urteil wird sich die Gefährdungslage für terroristische Anschläge auch in Deutschland deutlich erhöhen.

     

    Die wachsende Erkenntnis, dass man Terrorismus nicht mit militärischen Mitteln bekämpfen kann, sondern nur in dem man die Ausbeutung, Unterdrückung und Armut in der Welt bekämpft, ist offenbar zu unseren Verfassungsrichtern noch nicht durchgedrungen.

  • IS
    Ingo Schwebel

    "Wenn das Land stabilisiert werde..."

    Wie der Irak, oder was? Die OEF ist gescheitert. Es würde vielen gut tun, das mal zu realisieren.