Todesstrafe in den USA: Ende der Giftspritze erwartet

Die Hinrichtung mit der umstrittenen Giftspritze könnte bald verboten werden, glauben Experten. Erneut wurde eine Exekution gerichtlich gestoppt.

90 Minuten dauerte voriges Jahr eine Hinrichtung mit Giftspritze - der Arzt war Zahlen-Legastheniker. Bild: dpa

WASHINGTON taz Gegner der Todesstrafe und Experten glauben daran, dass der Oberste Gerichtshof der USA gewillt ist, Hinrichtungen mit der Giftspritze in Zukunft zu verbieten. In der Nacht zum Mittwoch hatte der Supreme Court zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen eine Exekution in letzter Minute gestoppt.

Wie bei anderen Häftlingen zuvor auch, kam die Genehmigung zur Aussetzung der Exekution von Earl W. Berry in Mississippi nur Stunden bevor der Mann hingerichtet werden sollte. Berry war wegen Kidnapping und Mord im Jahr 1988 zum Tode verurteilt worden. Wie seit Ende September die Verteidiger von Häftlingen wie Christopher S. Emmett in Virginia, Curtis Osborne in Georgia und Daniel Siebert in Alabama, hatten Berrys Anwälte zuvor die Beschwerde geltend gemacht, dass die Hinrichtung mit der Giftspritze extreme Schmerzen verursache. Daher sei die Strafe „grausam und unmenschlich“ und verstoße somit gegen die US-Verfassung.

Inzwischen haben seit Anfang 2006 insgesamt 44 mal US-Gerichte eine Hinrichtung aufgrund gerichtlicher Eingaben von Häftlingen ausgesetzt. 37 der 38 Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe exekutiert wird, benutzten den umstrittenen Giftcocktail als Hinrichtungsmittel.

Am 25. September hatte der Oberste US-Gerichtshof anhand der Eingabe eines Häftlings in Kentucky (Fall "Baze vs. Kentucky") eingewilligt, grundsätzlich über die Zulässigkeit der Giftspritze zu entscheiden. Das sorgte in den USA für einige Überraschung - denn die neun Obersten Richter hatten es in der Vergangenheit stets abgelehnt, Klagen grundätzlicher Art gegen die Todesstrafe anzunehmen. Experten sprechen bereits von einem faktischen Moratorium, denn seit der Ankündigung des Supreme Court sei es landesweit in 23 Bundesstaaten zu einem Aufschub von Hinrichtungsterminen gekommen.

1099 Hinrichtungen hat es seit Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA im Jahr 1976 gegeben - 928 davon durch den in den 70er Jahren eingeführten Giftcocktail. Zunächst wird den Todeskandidaten das Barbiturat Thiopental zur Betäubung eingespritzt, dann Pancuriumbromid zur Lähmung der Muskeln mit Ausnahme des Herzens, das dann mit Kaliumchlorid zum Stillstand gebracht wird. Ärzte warnen bereits seit Jahren, dass diese Art von Hinrichtung extreme Schmerzen verursachen kann.

Obduktionen hatten ergeben, dass in einigen Fällen die verabreichte Dosis des Betäubungsmittels zu gering war, um den Todeskandidaten das Bewusstsein zu nehmen bevor die Krämpfe einsetzten, hieß es im Jahr 2005 im britischen Fachmagazin "Lancet". Die veröffentlichte Studie berief sich auf Obduktionen von 43 Hingerichteten, weshalb sie Befürwortern der Todesstrafe als nicht aussagekräftig genug galt. Inzwischen haben weitere Untersuchungen und Vorfälle den Verdacht erhärtet, dass manche Häftlinge bei vollem Bewusstsein qualvoll ersticken - ohne dass sie ihre Schmerzen noch mitteilen könnten, da das Muskelgift sie zuvor vollständig lähmt.

Heftige Proteste gegen die Hinrichtungspraxis gab es im vergangenen Jahr, als die Hinrichtung des Doppelmörder Joseph Clark in Ohio geschlagene 90 Minuten dauerte. "Es wirkt nicht, es wirkt nicht", stöhnte Clark wiederholt. Entsetzen löste schließlich der Skandal von Missouri aus. Hier stellte sich nach dem Hinrichtungsaufschub für einen Häftling heraus, dass der zuständige Mediziner nur die Hälfte der vorgeschrieben Menge an Betäubungsmittel vorbereitet hatte. Als bei weiteren Nachforschungen ähnliche Fehldosierungen bei bereits vollzogenen Hinrichtungen aufgedeckt wurden, gab der Arzt zu, dass er Zahlen-Legastheniker sei.

Gegner der Todesstrafe wollen die moralischen Bedenken sowie das achte Amendment der US-Verfassung, welches die „grausame und unmenschliche Behandlung“ verbietet, nun nutzen, um gegen das „juristisch sanktionierte Töten“ der USA“ vorzugehen. In den letzten Jahren sank die Zahl der Exekutionen in den USA beständig. Nach der jüngsten Umfrage des Gallup-Instituts sprechen sich allerdings 65 Prozent der US-Bürger für die Todesstrafe aus, ein Prozentsatz der relativ konstant bleibt, meint der New Yorker Rechtsprofessor Robert Blecker.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.