Tod von Qosay Khalaf in Polizeigewahrsam: Ermittlungseifer? Fehlanzeige
Im Fall des zu Tode gekommenen Qosay Khalaf wird nun auch das Verhalten der Sanitäter nicht weiter untersucht. Aktivist*innen kündigen Demos an.
Der junge Yezide war im Delmenhorster Wollepark, nachdem er mit einem Freund einen Joint geraucht hatte, vor einer Kontrolle durch Zivilpolizisten geflohen. Bei der Flucht kam es zu einer Auseinandersetzung. Die Polizei setzte Pfefferspray ein und fixierte Khalaf.
Was dann passierte, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Zunächst hatte es von den Behörden geheißen, Khalaf habe eine Behandlung abgelehnt. Dann, dass Atmung und Herzfrequenz gemessen worden seien. Nun schreibt die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Einstellung der Ermittlungen: „Eine weitere Untersuchung und Behandlung lehnte der später Verstorbene durch stetiges Wegdrehen seines Körpers ab.“
Augenzeuge Hamudi (Name geändert) widerspricht den Schilderungen von Polizei, Rettungsdienst und Staatsanwaltschaft. Seinen Angaben nach haben die herbeigerufenen Sanitäter*innen Khalaf nicht behandelt. „Er hat gesagt, dass ihm schlecht ist und dass er sehr schlecht Luft bekommt“, sagt Hamudi. Ein Sanitäter habe gesagt, Khalaf schauspielere. Der wiederum habe mehrfach um Wasser gebeten, aber keines bekommen. „Dass Qosay die Hilfe der Sanitäter verweigert hat, stimmt nicht“, so der Zeuge.
Lea Voigt, Anwältin
Ermittlungen gab es erst, nachdem Khalafs Familie Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung erstattet hatte. Rettungsdienst und Polizei wiesen die Schuld von sich und sprachen von einem „tragischen Unglücksfall“. Wasser hätten Polizei und Rettungsdienst nicht mit sich geführt und Khalaf deshalb keines geben können. Der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung setze zudem voraus, dass die Beschuldigten den Unglücksfall erkennen könnten.
Die Anwältin der Hinterbliebenen, Lea Voigt, kritisiert die Einstellung. In dem Verfahren gegen die Sanitäter*innen habe sie noch immer keine Akteneinsicht erhalten. „Dass die Staatsanwaltschaft trotzdem schon ihre Abschlussentscheidung trifft, legt nahe, dass eine rasche Verfahrenserledigung über alles gestellt wird“, so Voigt. “Es stünde der Staatsanwaltschaft gut zu Gesicht, wenn sie die Dinge gründlich aufklären würde“, so die Anwältin.
Die Hinterbliebenen geben sich mit der Einstellung nicht zufrieden. „Wir möchten Polizeigewalt stoppen, Solidarität verteidigen und an Qosay erinnern“, sagt der Cousin Barsan Mehdi. Am Samstag wollen sie im Delmenhorster Wollepark demonstrieren. In Hannover haben solidarische Aktivist*innen angekündigt, am Donnerstag auf die Straße zu gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus