Tod des Kasseler Regierungspräsidenten: 80 Hinweise zum Schuss auf Lübcke
Im Fernsehen wird der tragische Fall besprochen. Danach klingelt bei den Ermittlern das Telefon – eine Spur, auch ins rechte Lager, gab es zunächst aber wohl nicht.
Da in der Tatnacht nur wenige Meter entfernt vom Haus des 65 Jahre alten CDU-Politikers eine Kirmes stattfand, hatten die Ermittler Besucher darum gebeten, Fotos und Videos des Festes an die Polizei zu schicken. Auch nach Zeugen, die einen Schuss gehört hatten, wurde gesucht. Dieses Material werde nun ausgewertet, sagte Andreas Thöne, Sprecher der Staatsanwaltschaft Kassel: „Zum Stand der Ermittlungen gibt es nichts, was wir verlautbaren können.“
Laut Staatsanwaltschaft war am Mittwoch erneut der Tatort in dem 900-Einwohner-Dorf Wolfhagen-Istha bei Kassel nach Spuren abgesucht worden. Zudem wurde die Soko „Liemecke“ von etwa 20 auf rund 50 Beamte verstärkt. Es sei üblich, dass solch eine Einheit im Laufe der Ermittlungen aufgestockt werde, sagte Polizeisprecher Werner.
Lübcke war in der Nacht zum Sonntag gegen 0.30 Uhr auf der Terrasse seines Wohnhauses mit einer Schussverletzung am Kopf entdeckt worden. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Die Obduktion ergab, dass der Politiker mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe getötet worden war. Das Motiv ist unklar.
Im Netz verhöhnten Rechte Lübcke
Die Trauerfeier für den Regierungspräsidenten wird am 13. Juni (16.00 Uhr) in Kassel stattfinden. In der Martinskirche werde es einen Trauergottesdienst mit „protokollarischen Ehrenbekundungen“ geben, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin in Hessen, Elke Cezanne.
Bei dem Trauergottesdienst werden Polizei und Bundeswehr eine Ehrenwache am Sarg halten. Zudem werde der Sarg mit der Hessen-Fahne bedeckt. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Martin Hein, werden sprechen.
Im Internet waren höhnische Kommentare von Rechtsgerichteten zum Tod Lübckes zu lesen. So war laut dem Blog Die Volksverpetzer von einer „guten Tat“ die Rede. Rechte hetzten im Netz immer wieder gegen Lübcke, weil er sich im Oktober 2015 bei einer Veranstaltung gegen rassistische Zwischenrufe gewehrt hatte.
Es lohne sich, in Deutschland zu leben und für die Werte der Republik einzutreten, hatte Lübcke damals den Störern zugerufen. Und hinzugefügt: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“ Dieses Zitat sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Lübcke war danach monatelang Ziel von Hassbotschaften aus der rechten Szene.
Für einen Zusammenhang zwischen diesen Vorfällen und dem Mord gebe es nach bisherigem Stand keine Erkenntnisse, sagte indes LKA-Chefin Thurau.
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