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Tocotronic-Musiker Arne Zank über Buch„Eine Art mentale Jogginghose“

Tocotronic-Drummer Arne Zank kann auch zeichnen. Seine alte Cartoon-Serie „Die Vögel“ hat er nun in Buchform veröffentlicht.

Zanks „Vögel“ wollen die „Parodie eines Graphic Roadmovies“ sein Foto: Ventil Verlag
Interview von Imke Staats

So mies die Coronapandemie für viele Künstlerhaushalte auch ausfiel, sie hatte gelegentlich den Vorteil, dass manch Unvollendetes in Ruhe fertiggestellt werden konnte und die so entstandenen Produkte nun das Leben verschönern. Daher konnte auch Arne Zank, der ansonsten bei der Band Tocotronic trommelt, ein altes Talent zu neuer Blüte bringen: Cartoon-Zeichnen.

Der studierte Illustrator hatte seine Serie „Die Vögel“ schon in den 1990ern begonnen und später auch als Webtoon herausgegeben. Jetzt liegt sie als vollendetes Abenteuer in Buchform vor. Witzig und kurzweilig stolpern die äußerst rau und minimalistisch gezeichneten Charaktere durch Norddeutschland und Dänemark. Viele Verweise erinnern an Tocotronic, etwa die Trainingsjacken der Fans bei einem Indiekonzert und diverse Lieder-Zitate. Der Schöpfer spielt hier auch mit verschiedenen Erzählperspektiven und leistet sich den einen oder anderen Cameoauftritt.

taz: Herr Zank, um was für Vogelarten handelt es sich bei den Protagonisten?

Arne Zank: Keine bestimmten – Enten liegen nahe, aber ich sehe die Charaktere eher als Menschen.

Haben sie Namen?

Nein, nur Bezeichnungen, wie Cousin.

Welchen Geschlechts sind die Vögel?

Das bleibt offen. Oft wird der/die Kleinere weiblich gelesen. Die zwei Helden waren mal männlich angelegt. Sie erschienen einst als Cartoonserie in der Kölner Stadtrevue.

Ständig haben die Protagonisten Probleme mit der Polizei. Gibt es dafür tiefere Gründe? Zudem wirkt die Polizei etwas vertrottelt.

Obwohl ich mit Punkrock sozialisiert bin, hatte ich persönlich keine besonders unangenehme Erfahrungen mit der Staatsgewalt. Es gibt eine gewisse Paranoia, keinen Scheiß zu bauen. Dadurch, dass die Jungs hier noch grüne Uniformen tragen, habe ich die eigene Kindlichkeit mit reingebracht.

Im Interview: Arne Zank

Der Künstler: Arne Zank, 50, besuchte in den 1990ern die Hamburger Fachhochschule für Gestaltung, um Illustrator zu werden, wechselte bald zur Hamburger Schule, wo er seither bei der Band Tocotronic trommelt.

Das Buch: „Die Vögel – fliegen hoch!“ von Arne Zank, Ventil Verlag, Mainz 2021, 128 Seiten, 20 Euro

Die Tour: Tocotronic sind ab dem 21. Juli wieder live unterwegs, u.a. in Düsseldorf, Kassel, Rostock

Ab und zu gibt es auch interessante Wortkreationen. Was ist etwa ein „Jogginghosengesicht“?

Eine Art mentale Jogginghose, die sich in schlaffer Mimik äußert.

Doktor Arne Zank, woher haben Sie eigentlich Ihren Doktorgrad?

(Zögernd) Ich bin Ehrendoktor einer tschechischen Universität, auf der auch Spejbl und Hurvínek promovierten.

Man sieht mal das Foto eines Auges – Ihres? – in einem Bild. Welche Rolle spielen Sie selbst in den Cartoons?

Das ist ein Dialog mit dem Schöpfer. (Kommt am Ende wieder vor – Anm. d. Red.) Ich machte täglich eine Folge und stürzte die Figuren in krasse Abenteuer. Manchmal war das die Lösung, aus einem Cliffhanger-Dilemma wieder rauszukommen. Ich wollte eigentlich noch mehr stilistische Brüche, wie etwa den Einsatz von Aquarellfarbe in Traumsequenzen.

Was trieb Sie beim Zeichnen der Plots an?

Ich mag die klassische Form der Zeitungscartoons, deren Serien meist sehr lange publiziert werden. Um ein großes Kunstwerk zu schaffen, fehlt mir der Glauben daran. Aber ich wollte stoisch bei einer Sache bleiben. Ich habe 36 Toons geschafft, jeden Morgen in der Küche eine Folge gezeichnet. Wenn eine Sequenz endet, habe ich immer drei kleine Punkte gemacht. Meine Freundin Tina war immer wieder als Beraterin und Inspiratorin wichtig.

Wie erstellen Sie diese Cartoons technisch? Gibt es Regeln, etwa wie: keine Korrekturen?

Ja, jeder Strich gilt. Ich zeichne auf Papier, fotografiere dann mit dem iPhone und nutze einige Bearbeitungsprogramme, wie zum Beispiel für Farben oder „scharf zeichnen“. Ich beobachte mich selbst dabei, wie sich die Formen im Laufe der Zeit leicht ändern. Liegen die Panels beispielsweise zuerst noch frei auf der Fläche, nehmen sie dann zunehmend fast quadratischen Form an.

Sie sagten mal, dass Sie „alles Selbstbewusste, Professionelle, Fingerfertige abstoße“ – wie meinen Sie das?

Eher in Abgrenzung zu einer Modeerscheinung, der nachgeeifert wird. Ich habe eher was übrig für Punkrock. Damit meine ich aber nicht das Liebevolle, welches ja auch zu mehr Professionalität führen kann.

Sie sind ja außerdem noch Musiker mit einer gewissen Bekanntheit und haben entsprechend viel zu tun. Wie wird das Zeichnen weitergehen, wenn Tocotronic wieder tourt? Kommen die Bücher mit ins Merchandising?

Kann ich mir vorstellen. Ich will auch die Routine des „Morgen-Cartoons“ erhalten. Und ich kann mir vorstellen, dass wir das Buch auch am Stand verkaufen. Am besten mit weißen Handschuhen, wegen des weißen Einbands.

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