Titanic versteht keinen Spaß: Inside Hans Mentz
Die Satirezeitschrift Titanic findet es gar nicht witzig, wenn sie Ziel von Satire wird. Die satirischen Glückwünsche zum 30. vom Carlsen Verlag stoßen auf Ablehnung bei den Spaßmachern.
Carlsen ärgert sich. Da will der Hamburger Verlag der Titanic zum Dreißigsten gratulieren und die freut sich gar nicht. "Inside Titanic - Meine 10.757 Tage als Gefangener der Redaktion" heißt das gebundene Glückwunschschreiben, Autor des Buches ist ein gewisser Hans Mentz. Doch das kann nicht sein: Hans Mentz ist seit 30 Jahren das Pseudonym über der Titanic-Rubrik "Humorkritik". Die wahren Autoren, Steffen Haubner und Oliver Domzalski, haben die Redaktion des Zentralorgans monatlicher Printsatire natürlich noch nie von innen gesehen.
„Inside Titanic“ ist also der fiktive Bericht eines fiktiven Titanic-Autors über die „gewissenlosen Praktiken der Satiriker“; der Hilferuf des in der Redaktion unbeliebten und geknechteten Hans Mentz, und der will deshalb nun „Wunden aufreißen, die allzu lange unter den Teppich gekehrt worden sind“. Das alles natürlich im besten Titanic-Stil: unautorisiert und anmaßend. Denn wer austeilen kann, der muss auch einstecken können, findet der Carlsen Verlag.
Und bucht, um seinen Titel anzupreisen, die Umschlag-Rückseite des Jubiläumsheftes. Doch kurz vor Andruck kippt die Titanic die Anzeige. "Wir wollten eine Verwechslung mit der Redaktion ausschließen", sagt Titanic-Chefredakteur Leo Fischer.
Domzalski ist nun enttäuscht. "So reagieren die also, wenn ihnen selbst eine titanicmäßige Aktion zustößt." Die Autoren haben von ihren Vorbildern gelernt: Der Stil ist streckenweise ganz nah dran am Original. „Doch der satiregeschulte Leser kann leicht erkennen, dass "Inside Titanic" kein Produkt der Redaktion ist“, sagt Domzalski. "Der Mann, der bei Titanic Hans Mentz war", wirbt die Anzeige in Anspielung auf Günter Wallraffs Ausflug zur Bild und verspricht ein "Buch, das von der Titanic verklagt gehört haben würde (mit Kloppe)". Ja, das verstehen auch Nichtsatiriker. Jetzt findet Domzalski es unsouverän, dass die Titanic seinen Verwechslungsspaß nicht lustig findet.
Einmal zeigte das Titanic-Cover Schweinebraten mit Soße. Das war auch nicht lustig, obgleich Fleisch meist als Vorbote einer Pointe erscheint. Doch der Titanic-Schriftzug adelt noch jeden Blödsinn. Der Deal geht so: Der Leser liefert sich bedingungslos dem Witz dieser diffusen Kollektivautorschaft aus, um sich dann mit humoristischen Geistesblitzen und Pipi-Kacka-Kram gleichermaßen beglücken zu lassen. Ein Machtverhältnis, aus dem dem Untergebenen viel Freude erwächst. Wer würde da in den Arkanbereich des endgültigen Humors eindringen wollen?
Zumal Satiresatire, wie der Fall uns lehrt, nicht zwangsläufig doppelt so witzig ist wie Satire. Das sollte man nicht verwechseln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen