Timberlakes neues Album: Der Allround-Entertainer

Justin Timberlake surft mit seinem Album „The 20/20 Experience“ über kanonisierte Oberflächen. Dahinter steckt die Angst vor dem Kontrollverlust.

Justin Timberlake performt den Popstar alter Schule. Bild: Tom Munro

Nun geht sie zu Ende, die Themenwoche Justin Timberlake. Kein Tag ohne Weckruf mit neuen News von Justin. Letzten Samstag stellt er sich bei „Saturday Night Live“ im Tofukostüm auf die Bühne. Dann hat er Beef mit Kanye West, ein paar Tage später begräbt er ihn salomonisch einseitig in Jimmy Fallons Talk Show, genau dort, wo er am Mittwoch als Teil eines Barbershop-Quartetts seinen Hit „Sexyback“ aufführt. Puh! Was kann der eigentlich nicht?

Gestern erschien dann sein neues Album „The 20/20 Experience“. Aber – don’t call it a comeback. Gut gehalten hat er sich eh und in den sieben Jahren seit seinem letzten Werk war er Modedesigner, Labelchef und – am erfolgreichsten – Schauspieler. Ganz postcinematisch verschwammen dabei Rolle und Darsteller.

In „The Social Network“ investiert Timberlakes Charakter in ein soziales Netzwerk, und was macht der echte Justin? Gibt Millionen für eine Beteiligung am Profilfriedhof MySpace aus, den er als Werbefläche in eigener Sache nutzt. Von der Versiertheit, mit der Justin Bieber per Twitter zu den Fans spricht, ist Justin Timberlake weit entfernt.

Stattdessen performt er den Popstar alter Schule. Zusammen mit Jay-Z, dem Prototyp des Selfmade-Millionärs, rappt Timberlake auf „Suit and Tie“ über die Sexyness von Business-Anzügen. Passend dazu präsentiert er den Song bei den Grammys in Schwarzweiß als Hommage an die goldene Zeit von Frank Sinatra.

Hiphop oder Elvis

Bei „Wetten dass?“ covert er Elvis, bei Fallon rappt er sich durch ein Medley aus HipHop-Klassikern. Eine Lebenshälfte nach der Trennung seiner Boyband N’Sync erfindet sich Timberlake als Allround-Entertainer neu. Und auch „The 20/20 Experience“ ist ein Trip durch die Popgeschichte, der zeitgenössische R&B-Standards bedient und gleichzeitig links liegen lässt.

Stattdessen versuchen sich Timberlake und seine Produzenten J-Roc und Timbaland an einer digital produzierten Neuformulierung des Goldenen Zeitalters von Soul, Funk und R&B. Auf „Little Pusher Girl“ verlieren sie sich in psychedelischen Funkläufen, „Blue Ocean Floor“ ist eine Ballade, auf der sich Timberlake über Sprengseln von rückwärts abgespielten Gitarren und luftigen Keyboards ins diesseitige Nirwana fleht.

Das ist zwar weitab von Radioformaten, aber dennoch eine Grenzüberschreitung mit Kalkül: So klingt man als gereifter Künstler. Dahinter steckt die Angst vor dem Kontrollverlust. Weil er nichts zu verlieren hatte, war sich Timberlake bei seinem Debüt 2002 mit aller Kraft in die futuristisch synkopierten Beats seines Produzenten Timbalands, heute surft er über kanonisierte Oberflächen. Für die Zukunft bleibt kein Platz mehr.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.