Tierschutz in Island: Wale sterben für Touristen
Die Isländer essen kaum noch Walsteaks. Die Nachfrage kommt jetzt verstärkt aus den Restaurants für Touristen.
OSLO taz | „Die letzten Kilo werden diese Woche weggehen, ich könnte jetzt gut und gern zehn weitere Wale brauchen.“ Gunnar Bergmann Jónsson von der Fangfirma Hrefnuveišimenn hat Nachschubprobleme. Die Touristenrestaurants in Reykjavík verkaufen die Walsteaks schneller, als das Unternehmen für Nachschub sorgen kann.
Haben die IsländerInnen das Walfleisch längst von der eigenen Speisekarte gestrichen – nur in 3 Prozent der Haushalte können es nicht lassen –, hält der Tourismus den Walfang am Leben. Die Kampagnen von Walschutzorganisationen wie der WDC, die Touristen und Reiseunternehmen aufgefordert haben, bitte auf diese Erfahrung zu verzichten und Restaurants mit Walfleisch auf dem Menü möglichst zu boykottieren, scheinen wenig zu nutzen.
Eine Quote von 229 Zwergwalen hat die isländische Regierung freigegeben, 13 mehr als im letzten Jahr. Ausgeschöpft wird die entsprechende Quote allerdings seit Jahren nicht. 2013 wurden nur 38 Zwergwale geschlachtet und deren Fleisch hauptsächlich als exotische Delikatesse für TouristInnen abgesetzt. In diesem Jahr konnte die „Hrefnuveišimenn“ erst 18 Wale harpunieren. Doch die Fangsaison dauert noch bis Oktober; Bergmann Jónsson hofft auf eine ähnliche Abschussquote wie 2013.
Neben der Zwergwaljagd hat Island seit 2006 auch als weltweit einziges Land die kommerzielle Jagd auf die gefährdeten Finnwale erlaubt. 154 Tiere beträgt die Quote, im Jahr zuvor wurden 134 Finnwale getötet. Für deren Fleisch gibt es allerdings so gut wie keinen inländischen Absatz; es wird fast durchweg nach Japan verkauft. Reykjavík missachtet damit nicht nur das internationale Walfangverbot, sondern auch das Washingtoner Artenschutzabkommen Cites, das den Handel mit solchen Produkten verbietet. Doch weder Boykottaufrufe noch angedrohte Handelssanktionen konnten bislang daran etwas ändern.
Die isländische Regierung hingegen sieht den Walfang als „nachhaltig“ an. „Unser Image ist makellos“, so Fischerei- und Umweltminister Siguršur Ingi Jóhannsson. Tatsächlich ist es mit bloßen Drohungen nicht getan, kritisiert Leigh Henry vom WWF: „Der US-Präsident kündigte eine ’starke Reaktion‘ an, sollte Island wieder mit der Finnwaljagd beginnen. Nun jagen sie seit mehreren Jahren, und es ist nichts passiert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste