Tierschutz im Zirkus: Der Ausnahme-Affe
In Harburg gastiert mit dem Zirkus Belly der letzte Schimpanse in der Manege – obwohl das eigentlich verboten ist.
HAMBURG taz | Bei Robby ist alles anders. Er ist nicht nur der letzte Menschenaffe in Deutschland, der in einem Zirkus lebt und auftritt. Statt in der Gruppe unter seinesgleichen lebt Robby auch als einziger Schimpanse mit einem „Ersatz-Sozialpartner“ zusammen. So nennt jedenfalls der Landkreis Celle den Zirkusbetreiber Klaus Köhler.
Die Einzelhaltung von Affen wie Robby ist laut der sogenannten „Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren“ seit 1996 in Deutschland „nur in begründeten Ausnahmefällen“ – also zeitweise bei Krankheit oder bei einer Unverträglichkeit mit Artgenossen – erlaubt.
Schimpanse Robby ist 38 Jahre alt. Er sei von Menschenhand aufgezogen worden, schreibt der Landkreis Celle, der den Heimatort des Zirkusses überprüft, das niedersächsische Wietzendorf. Der Affe lebe „seit mehr als 30 Jahren in engem Kontakt zur Familie Köhler“. Deshalb könne man in seinem Fall nicht von Tierquälerei oder Vernachlässigung sprechen. Es bestehe „weder die Notwendigkeit noch die rechtliche Möglichkeit einer Fortnahme des Tieres“.
„Menschen können Artgenossen nicht ersetzen“, sagt dagegen Peter Höffken von der Tierschutzorganisation Peta. Der Schimpanse sei nicht in der Lage, mit den Zirkusleuten zu kommunizieren und lebe deshalb faktisch allein. Er bezweifelt zudem, dass die Tierschutzrichtlinien für die Käfighaltung von Schimpansen vom Zirkus Belly eingehalten werden. Das Außengehege werde nicht immer eingesetzt, sagt Höffken, und ein Zirkuswagen sei viel zu klein.
Der Zirkus gastiert seit Mittwoch in Harburg und will noch bis Sonntag bleiben. Das Bezirksamt Harburg habe die Haltungsbedingungen des Schimpansen bereits am Dienstag überprüft, sagt dessen Sprecherin Petra Schulz. Es habe keine Beanstandungen gegeben, das Tier sei „in einem sehr guten körperlichen und mentalen Zustand“. Bei der Frage der Einzelhaltung habe man sich an dem Gutachten aus Celle orientiert.
Höffken von Peta ärgert das. Die Städte, die den Zirkus überprüfen sollen, scheuten den Konflikt mit dem Betreiber. „Die Behörde umgeht die Richtlinien“, sagt er. In der vergangenen Woche hatten Peta-Aktivisten von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gefordert, das Tier aus dem Zirkus herauszunehmen und in eine Auffangstation zu bringen. Schließlich habe er sich im Bundesrat auch für ein Wildtierverbot starkgemacht.
Senatssprecher Christoph Holstein winkt ab. Olaf Scholz kenne sich in Sachen Affenunterbringung nicht aus. Dafür sei die Gesundheitsbehörde zuständig. Und die verweist wiederum nach Harburg.
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