piwik no script img

Tierschutz-Debatte um Brandzeichen-VerbotMercedes-Stern für Pferde

Sie halten es für unverzichtbar: Züchter wehren sich gegen das geplante Verbot des Brandzeichens. Um Abgeordnete zu überzeugen, bieten sie eine "Live-Brandmarkung".

Würde sich über ein Verbot des Brandzeichens sicherlich freuen: Ein Bad Segeberger Pferd. Bild: dpa

BERLIN taz | Diese Szene gehört in jeden zweiten Western: Am Brandzeichen des Pferdes erkennt John Wayne, dass der Gaul geklaut ist. Der Dieb muss hängen. Nicht nur im Amerika des 19. Jahrhunderts war das Brandzeichen wichtig. Noch heute halten es Pferdezüchter für unverzichtbar, auch in Deutschland.

Am kommenden Montag lädt die Deutsche Reiterliche Vereinigung deshalb zur "praktischen Demonstration" in den Dressurstall Eichkamp in Berlin. Mehrere Fohlen sollen dann live gebrandmarkt werden - um die Meinungsbildung des Bundestages zu fördern.

Hintergrund ist: Auf Betreiben des Deutschen Tierschutzbundes hat der Bundesrat das Verbot des "Schenkelbrandes" gefordert. CSU-Agrarministerin Ilse Aigner sieht das ähnlich. Viele Pferdezüchter widersprechen aber. Unter anderem der CDU-Abgeordnete Dieter Stier, selbst Pferdezüchter. Er will das Verbot des Brandzeichens via Agrarausschuss aufhalten und plädiert für eine "sachliche Debatte" aufgrund persönlicher Beobachtung.

Der Ortstermin soll zeigen, "das geht ganz schnell. Die Fohlen reagieren wenig oder überhaupt nicht", so Stier. Das "Anbringen des Schenkelbrandes" läuft so ab: Man presst dem Fohlen einen glühenden Metallstempel auf die hintere Backe. Es raucht und zischt. Thomas Schröder, Geschäftsführer des Deutschen Tierschutzbundes, meint: "Das ist eine Verbrennung dritten Grades, die natürlich Schmerzen verursacht."

Dass die Prozedur die Pferde schmerzt, bestreitet Klaus Miesner nicht. Der Zuchtspezialist der Reiterlichen Vereinigung führt dafür aber einen "vernünftigen Grund" ins Feld: "Unsere Pferde sollen weltweit identifizierbar sein." Die unauslöschlichen Symbole auf der Haut - stilisierte Wappen, Geweihe, Initialen - geben Aufschluss über reine Rasse und Herkunft der Tiere. Die eingeprägte Nummer führt zu einer Datenbank der Züchter.

Als "Zeichen für Wirtschaftsgüter, die man hochpreisig verkaufen will", kritisiert Tierschützer Schröder die Brandzeichen - eine Art Mercedes-Stern für Pferde. Er empfiehlt eine schmerzärmere Variante. Dabei wird den Pferden ein Chip in die Halsmuskeln injiziert, so groß wie ein Reiskorn. Auch dieses Verfahren ist nicht schmerzfrei, wird aber von der EU bevorzugt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • A
    Antonietta

    "Wir haben nicht das Recht, Tiere in irgend einer Form auszubeuten, zu misshandeln oder zu verwerten.

    Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie essen.

    Tiere sind nicht dazu da,

    dass wir an ihnen experimentieren.

    Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie anziehen.

    Tiere sind nicht dazu da, dass sie uns unterhalten.

    Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie ausbeuten."

  • EW
    Eckard Wendt, AGfaN e.V.

    Für diese Vorführung der Anbringung schlage ich vor, daß sich die Führungsriege der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) geschlossen zur Verfügung stellt. Zuerst sollte Präsident Breido Graf zu Rantzau das Brandzeichen auf seinen Allerwertesten bekommen, dann Ehrenpräsident Dieter Graf Landsberg-Velen gefolgt von den Vizepräsidenten Friedrich Witte und Theodor Leuchten. Besondere Aufmerksamkeit dürfte dann der Brandmarkung der Vizepräsidentin Ruth Klimke zuteil werden. Aber auch die übrigen zehn Vorstandsmitglieder werden bestimmt geduldig anstehen, um sich das Verbandslogo der FN dauerhaft einbrennen zu lassen.

    Ich werde zum Zuschauen hingehen, um die Reaktionen mitzuerleben und zu sehen, mit welchem Stolz die derart beglückten ihr Zeichen der Zugehörigkeit anschließend zur Schau stellen werden.

  • V
    Vegan

    Oft passt zu diesen Thema das Zitat: "Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken."

     

    Aber in diesem Fall geben die Barbaren sogar zu das brandmarken schmerzhalft ist. Und das auch noch um Besitzansprüche an lebendigen, fühlenden Individuen zu Symbolisieren.

    Ein weiters Beispiel für die ignorante und speziesistische, Grausamkeit des "modernen" Menschen!

     

    In diesem Sinne: " Until EVERY cage is empty!"

  • IP
    Inge Prestele

    Als vor Jahren der Pferderipper in Niedersachsen umging, lernte ich, dass man diese Tiere malträtieren kann, ohne dass sie schreien. Diese fehlenden Schmerzäußerungen machten es u.a. so schwer, den Täter zu fassen. Soll das also jetzt Beweis sein, dass das Pferd nichts merkt?

  • V
    vic

    Ich wette die Pferdebranche hat, aufgrund ihrer nicht geringen Vermögen, in Verbindung mit entsprechenden wirtschaftlichen Positionen, hohen politischen Einfluss.

    Klarer Fall für die Klientelparteien.

  • MD
    Martin D.

    Warum keine Ohrmarken wie bei Rindern, Schweinen, Ziegen etc.?

  • W
    wolf

    klar dass die eu ihre schmerzhafte kennzeichnung durchsetzen will- und das vermeintlich tierschützerische stimmvieh dabei missbraucht.

    da verdient bestimmt so ein eu- lobbyist, der zufällig chiphersteller ist.

    und sollte sich das "elektronische" verfahren beim pfern bewähren, wird es sicher auch bald kindern eingepflanzt. ich fordere ein verbot des einziehens schmerzhafter piercings. - und zhum thema "freiwilligkeit"--es ist der soziale druck, nicht die freiwilligkeit , welche unsere kinder sowas machen lässt. und die eltern sagen dann: bevors komplexe kriegt, weils anders aussieht als die andern, stimme ich zu

  • JJ
    Jonathan Jacob

    So lange Nerze in Pelzfarmen und Mastkaninchen auf engstem Raum in Käfige gesperrt werden, Ferkel ohne Betäubung kastriert werden, Legehennen in Kleingruppenhaltung versauern etc. sind Brandzeichen bei Pferden doch eine verhältnismäßig eher harmloses Sache.

  • BB
    Blah Blahson

    Na, wenn es nicht so schlimm ist, gebrandmarkt zu werden, dann können sie sich doch selbst glühende Stempel auf die Arschbacke hauen. Oder besser noch auf die Stirn.