Tierschützer vs. Zirkuslobby: Jagdszenen in Bassum
In roher Gewalt gipfelte in Niedersachsen der Konflikt zwischen Zirkusbetreibern und Tierschützer*innen. Letztere fordern seit Jahrzehnten ein Wildtierverbot.
Aufgerufen hatte die Tierrechtsorganisation Animals United, die bundesweit gegen die Tierhaltung in Zirkussen mobil macht. Deren Aktivist*innen haben ein Video auf Facebook gepostet, das die Jagdszenen in Bassum festhält – und ihre Angaben stützt. „Es geht uns nicht um den einzelnen Zirkus, und schon gar nicht um den Direktor, der Mann ist uns völlig egal“, sagt Viktor Gebhardt, Präsident der Organisation. „Uns geht es um das Thema der Tierhaltung – und um die Transporte.“
Im krassen Widerspruch dazu stehen die Angaben von Zirkusdirektor Karl Lauenburger. Er fühlt sich persönlich attackiert. „Keiner von uns hat eine Latte in der Hand gehabt“, sagt er.
Zwar habe es Handgreiflichkeiten gegeben, als er kurz vor der Vorstellung noch einmal Zigaretten holen war – und ja, er sei anschließend von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Die Gewalt sei jedoch von den Tierschützer*innen ausgegangen. Die hätten ihn und andere Zirkusangehörige bedroht und ihn sogar daran gehindert, den Supermarkt zu betreten. Die Frau, die Kopfverletzungen und ein Hals-Wirbelsäulen-Trauma davontrug, „ist bloß in mich reingelaufen“, behauptet Lauenburger.
Zirkusse und Tierschützer*innen sind seit Jahrzehnten im Clinch. Es geht um ein sogenanntes Wildtierverbot, das auch die Bundestierärztekammer seit Langem fordert. Die Zirkuslobby hält mit einiger Erbitterung daran fest, nicht-domestizierte und exotische Tiere halten, abrichten und vorführen zu dürfen.
Das Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus“ konnte bundesweit immerhin 59.400 Unterstützer*innen zur Unterschrift bewegen. Bisheriger Höhepunkt der Kampagne war eine Kundgebung am 4. November 2017 in Stuttgart gewesen. „Rund 70 Zirkusbefürworter“ hätten dort „für den Erhalt des vollständigen Zirkus mit Tieren“ demonstriert, berichtet das Aktionsbündnis in einem offenen Brief an die neue Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) von dem Erfolg.
Das Aktionsbündnis forderte Klöckner auf, den deutschen Sonderweg fortzusetzen. In den meisten Staaten Europas ist das Wildtierverbot längst Standard. Auch eine Mehrheit der Bundesländer hätte es schon 2016 gern eingeführt. Bloß hat sich der Bundestag geweigert, den Bundesratsbeschluss auch zu adoptieren.
Folge: Der Zirkus geht weiter, die Abrichtung der Tiere zu Show-Zwecken und ihr strapaziöser Transport von Tourneestandort zu Tourneestandort bleiben erlaubt. Ein Verbot sozusagen von unten zu erzwingen, ist kaum möglich. So war der Versuch der Stadt Hameln, es kommunal durchzusetzen, vergangenes Jahr letztinstanzlich vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg gestoppt worden: Es würde Bundesrecht einschränken und das Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzen, so die Begründung.
Minimale Kontrollbefugnisse
Minimal sind die Kontrollbefugnisse der unteren Ordnungsbehörden: Bei drastischen, akuten Verstößen gegen Tierschutznormen dürfen die Veterinärämter einschreiten oder bei akuter Seuchengefahr. Für eine fachliche Kontrolle beispielsweise der Transportbehälter fehlt ihnen mindestens rechtlich, im Umgang mit exotischen und seltenen Arten wohl oft auch fachlich die Kompetenz. „Der Landkreis Diepholz hat alles geprüft“, sagt Zirkusdirektor Lauenburger. „Wir erfüllen jeden Standard.“
Überhaupt: Er sieht sich als Opfer von Mobbing, und er spricht von Rassismus. Tatsächlich sind die Lauenburgers eine berühmte Sinti-Familie. Vor allem im Raum Düsseldorf gab es etliche Schausteller, Seiltänzer, Akrobaten des Namens. „Meine Onkel wurden in Bergen-Belsen umgebracht“, sagt Lauenburger und stößt ziemlich harte Beschimpfungen gegen den Anmelder der Mahnwache in Bassum aus. Der stalke ihn, sagt Lauenburger, dem gehe es nur darum, ihn fertig zu machen, „weil ich mich leicht errege“.
Tatsächlich hat der Eklat in Bassum eine Vorgeschichte, und auch hier passt das, was der Zirkusdirektor erzählt, nicht zu dem, was dokumentiert ist: Angemeldet worden war die Aktion in Bassum vom Syker Tierrechtsaktivisten Peter Hübner. „Ich bin durch Bekannte auf das Gastspiel dort aufmerksam gemacht worden“, sagt er der taz. Am Vormittag noch war er bei einer Mahnwache gegen den Vion-Schlachthof in Emstek gewesen, mit Aktivist*innen aus Hamburg, Kiel, Bremen, Hannover und Osnabrück. „Ich bin von dort aus direkt nach Bassum gefahren.“
Kampagne fürs Wildtierverbot
Hübner war einmal Schlachter gewesen. Irgendwann hat er den Blick der zusammengepferchten, verängstigten Tiere nicht mehr ertragen können. Er hat den Beruf hingeschmissen, hat umgeschult, das Angeln aufgehört, das Reiten, das Fleischessen, und jetzt kämpft er für Tierrechte. Gewaltfrei betreibt er seit Jahren in Nordwestdeutschland eine bundesweit beachtete Kampagne fürs Wildtierverbot. „Wenn ein Zirkus, der Wildtiere mit sich herumschleppt, hierherkommt“, hat er der taz im Herbst erklärt, „muss er auf eine Gegendemo gefasst sein.“
Manchmal lasse man indes kleinere Unternehmen unbemahnwacht, weil es wichtiger sei, „die großen Zirkusse mit Wildtierhaltung über mehrere Stationen zu begleiten“: So ist er von Juli (Oldenburg) bis November (Hamburg) dem Circus Voyage hinterhergereist, der laut Eigenwerbung „die größte tierische Show“ bietet. Im Juni hatte der Betrieb für Schlagzeilen gesorgt, weil er in Berlin scharfe Hunde gegen Polizisten und Amtstierärzte losgelassen hatte. Sich selbst sieht er in den Top Ten der deutschen Zirkusunternehmen.
Circus Granada dagegen, das ist bloß eine Großfamilie, neun Leutchen, ein paar Pferde, Esel, Ziegen plus Alpakas. Zurecht weist Lauenburger darauf hin, dass Hübner & Co ihn seit Dezember auf dem Kieker hätten, seit vier Monaten: „So viel Schaden hat uns noch nie jemand bereitet.“ Es ist seine Existenz, sein Leben, und wenn die bedroht ist, was bleibt dann, als wild um sich zu schlagen? Er fühle sich „allein gelassen von den Behörden“, sagt Lauenburger. Vielleicht ändert sich das ja.
Angriff auf Mahnwache
Denn wahr ist auch: Bereits im Dezember war eine erste Mahnwache in Buchholz angegriffen worden, schon beim Aufbau. Die Demonstrierenden waren verprügelt, die Wachstuchbanner mit bloßen Händen zerrissen worden, und als die Polizei endlich Ruhe hergestellt hatte, postierte sich der Zirkusdirektor drohend im Zelteingang, die große Peitsche in der Hand, ließ sie immer und immer wieder knallen: “Kommt her“, hat er geschrien. „Ich mache euch alle fertig.“
Auch danach war es Lauenburger, der den Konflikt befeuert hatte, via Facebook: „wir können uns ja mal treffen wie Männer weil du bist ja kein Mann du bist ein pädophiles Schwein“, bietet er Hübner an. „dann können wir uns ja mal hauen weil von mir könntest du eine Ohrfeige bekommen dann Platz dein Pädophiler Darm.“
Ein Post endet mit besten Wünschen zur guten Nacht „und träume schön von mir wir ich dir mit zehn Liter Benzin die etwas warm mach das du mein süßer nicht frierst küssen die rohe Gewalt in liebe grüße Karl Lauenburger“. Das hat er offenbar wirklich geschrieben: „Ich war besoffen“, sagt Lauenburger, „ich wusste nicht was ich schreibe“, eigentlich sei er Analphabet, da habe er die Kontrolle über die Wörter nicht. Eine etwas dürftige Erklärung.
Ende März wurden bei Hübner in der Siedlung Plakate aufgehängt: Ein aus dem Netz gezogenes Porträtfoto, groß kopiert, darunter in ähnlicher Diktion und Orthografie wie die Facebook-Einträge: „ist ein PÄDOPHYLER KINDERSCHÄNDER“. Bei der Klebeaktion beobachtet worden ist ein Auto, das dem Circus Granada zugeordnet werden konnte. Hübner, klar, hat Anzeige gestellt. Gegen unbekannt.
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