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Tiere im FilmDer Wille zur Performance

Elke Schwaiger trainiert Tiere für ihren Einsatz am Filmset. Auf ihrem Hof in Schleswig-Holstein wohnen kleine Stars – Allüren toleriert sie nicht.

„Die Krähen sind mein neues Steckenpferd“, sagt Elke Schwaiger Foto: Leonie Gubela

Kurz bevor der Wagen in der Einfahrt zum Stehen kommt, kotzt Hundewelpe Miley auf den Beifahrersitz. „Du sollst doch nicht Spucki machen“, sagt Elke Schwaiger und lässt den Hund raus. Sie wirft sich die langen blonden Haare über die Schulter und greift nach einem Lappen. Irgendwann muss Miley mit Autofahrten klarkommen, denn sie soll Filmhündin werden und bis zum Set fährt man schon mal ein paar Stunden.

Elke Schwaiger steigt aus dem Wagen und deutet auf ein mit einem Netz überspanntes Gehege. „Die Krähen sind mein neues Steckenpferd“, sagt sie. Unbeliebte Vögel seien das, aber völlig zu Unrecht.

Iwan und Leo heißen die Raben, und sie hat sie bei sich aufgenommen, weil ihre Vorbesitzer mit den Raubvögeln nicht klarkamen, ihnen Meisenknödel zu essen gaben, obwohl sie eigentlich Fleisch und Rührei brauchen. „Bei Leo war das Brustbein so hervorgetreten, dass er nicht mehr richtig sitzen konnte.“

Elke Schwaiger kümmert sich zwar um jede bedürftige Krähe, die ihr auf den Hof gebracht wird, eigentlich ist sie aber Hundetrainerin und führt eine Filmtieragentur. Darin sind Dutzende Hunde, Katzen, Nager, Pferde und Reptilien registriert. Schwaiger vermittelt die Tiere für Filmdrehs und Fotoshootings. Schönheit allein allerdings reicht nicht aus, um in die Kartei aufgenommen zu werden. Vielmehr braucht es „stressfreies Talent“ und „einen natürlichen Willen zur Performance“.

Hengstmanieren werden nicht toleriert

Sie selbst beheimatet auf ihrem Hof in Rehhorst in Schleswig-Holstein sechs Hunde, American-Miniature-Pferde, Schafe, Hühner und eben Leo, Iwan und Miley, den Welpen mit der Reiseübelkeit. Dass es Miley an Bühnenpräsenz nicht mangelt, hat sie bei ihren ersten beiden Engagements – einem Foto­shooting für Tchibo und einem Werbedreh für eine Dating-Plattform – schon unter Beweis gestellt.

Elke Schwaiger versucht, das Selbstbewusstsein ihrer Hunde zu fördern. Sie dürfen auch mal auf den Gartentisch springen und albern sein. Divenhaftigkeit und Hengstmanieren aber toleriert sie nicht. „Sie sollen alle leben wie kleine Pippi Langstrumpfs. Die war gutmütig, hatte Spaß am Leben und nahezu keine Grenzen. Aber sie hatte Anstand.“

Schwaiger hat Hoffnung, dass Miley eine zweite Harley werden könnte. Die Border-Collie-Hündin ist der Star auf dem Hof, vor einem Jahr war sie im Kinofilm „Systemsprenger“ zu sehen. Keine leichte Rolle, denn Harley durfte sich nicht davon beeindrucken lassen, dass mit Steinen nach ihr geworfen wird. Elke Schwaiger übte wochenlang mit ihr – im Film ist sie es, die die Steine wirft.

Harleys Kinder, Candy und Negan, kommen leider „total nach ihrem Vater“, der „eine ziemliche Mimose und etwas dumm“ war. Dass die beiden Harleys Nachfolge in der Filmindustrie antreten, war schon früh eher unwahrscheinlich.

Elke Schwaiger, eine Rossnatur

Elke Schwaiger bezeichnet sich selbst als Rossnatur, und das passt. Sie wuchs mit vielen Geschwistern in einem oberbayerischen Dorf auf. „Mein Vater war ein sehr unangenehmer Mensch, der es sich mit Gott und der Welt verscherzte.“ Das habe auf sie und ihre Geschwister abgefärbt, sie war nicht bloß Elke, sondern immer auch „die Tochter vom Schwaiger“.

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Zuflucht fand sie bei Schulfreundin Hildegard, die auf einem Hof lebte, mit Pferden, Kühen, Schweinen, Schafen, Ziegen, Truthähnen, Gänsen, Hühnern, Hasen, Tauben, Hunden, Katzen, „hab ich ‚Hasen‘ schon gesagt?“ Unglaublich idyllisch, aber auch unglaublich viel Arbeit.

Während Elke in der Schule keinen Anschluss fand, weil der Ruf ihres Vaters an ihr haftete, hatte Hildegard keine Freunde, weil sie jeden Nachmittag auf dem Hof helfen musste. Die beiden Mädchen begannen, alles gemeinsam zu machen, vom Ställe-Ausmisten bis zum Kartoffeln-Stecken. Abends fuhren sie an den See und Elke brachte ihrer Freundin Schwimmen bei.

Wochenlang blieb sie in den Ferien von zu Hause weg, aber ihre Eltern wussten ja, wo das Kind ist. Dieser Bauernhof aus dem Bilderbuch habe sie geprägt wie sonst nichts in ihrer Kindheit. Gutes Essen, gesundes Familienleben, glückliche Schweine, die auf Stroh schlafen.

Bernhardiner-Dame Sidney wischt sich die nasse Schnauze an Elke Schwaigers Oberteil ab. Sidney ist ungefähr so groß wie ein Kalb und hat zuletzt in einem Musikvideo des Rappers Greeen mitgespielt. Über eine Million Klicks auf Youtube, Elke Schwaiger spielt es auf dem Handy ab.

Starallüren bei ihren Tieren akzeptiert Elke Schwaiger nicht Foto: Leonie Gubela

Sidney musste beim Dreh eigentlich nur quer über dem Rapper auf einem Sofa liegen. So entspannt zu sein in fremder Umgebung sieht einfach aus, ist es aber nicht. Sidney und Greeen hatten eine gute Chemie, sagt Elke Schwaiger.

Aber auch das Gegenteil kommt vor. „Da baut man dann auf die Professionalität des Tiers“, sagt Schwaiger. Alle ihre Hunde verstehen Befehle mittlerweile auch auf Englisch, weil ein Model sich auf einem Fotoshooting mal mit dem deutschen „Sitz!“ und „Platz!“ schwergetan hat.

Sie mutet ihren Tieren nichts zu, was gefährlich werden oder keinen Spaß machen könnte. Über Eis laufen zum Beispiel und generell Flugreisen. Zu jedem Dreh fährt sie mit dem Transporter, ist am Set von der ersten bis zur letzten Sekunde dabei. Wie eine Mutter, deren Baby in einer Soap mitspielt. „Die Tiere wissen, ihnen passiert nichts, wenn ich da bin.“

Nach dem Schulabschluss drängte ihr Vater sie ausgerechnet in eine Metzgerlehre. Zwei Wochen hält Elke Schwaiger es dort aus – als sie ein totes Reh im Kühlhaus findet, schmeißt sie hin.

„Irgendwann zieht es sich wie Kaugummi“

Kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag gibt es Streit mit dem Vater, er schlägt sie, und sie packt ihre Sachen. Mit zehn Mark raus aus dem Dorf und nach München, zur Familie einer Bekannten. Elke Schwaiger darf dort untertauchen, bis sie volljährig ist und sich nicht mehr davor fürchten muss, dass ihr Vater sie nach Hause holt.

Sie beginnt eine Lehre als Pferdewirtin, will Trabrennreiterin werden, aber wird mitten in der Ausbildung krank. Nach zwei schweren Operationen darf sie den Job nicht mehr machen und schult um zur Hundetrainerin. 20 Jahre Sitz, Platz, Bleib und Fuß. „Irgendwann zieht es sich wie Kaugummi“, sagt Elke Schwaiger.

2012 öffnet Sidney ihr die Tür ins Filmtier-Business. Eigentlich sind Bernhardiner-Welpen eine Fehlkonstruktion. Weil ihre Köpfe zu schwer für die Nackenmuskulatur sind, kippen sie im Sitzen ständig nach vorne. Nicht so Sidney, die schon mit fünf Monaten ihren Kopf halten konnte, vernünftig hörte und ein paar Tricks beherrschte. Eine Filmtieragentur buchte sie.

Nach dem Dreh fängt Elke Schwaiger an, freiberuflich in dem Bereich zu arbeiten. Sie kauft den Hof in Rehhorst, gründet die Agentur und trifft Marco, ihren „Stallburschen“, der immer dachte, mit Tieren und Natur gar nichts anfangen zu können, und gerade vorm Haus die Hecke schneidet.

„Die Krähen!“, ruft er und Elke Schwaiger springt auf. „Die Krähen!“, sagt sie. Iwan und Leo haben Hunger und äußern das seit einer Weile lautstark. Im Winter, wenn sie im Stall sind, machen sie Schnalzgeräusche, weil ihr Gekrähe sonst zu sehr hallen würde. Elke Schwaiger hat es ihnen beigebracht. Die Krähen fliegen ihr auf den ausgestreckten Arm und lassen sich das Futter in die Schnäbel legen. Die schwarzen Federn glänzen in der Sonne blau. Iwan ist besonders zutraulich. „Was hab ich am Anfang um sein ­Leben gekämpft“, sagt Schwaiger.

Es mache schon einen Unterschied, ob ein Hund oder eine Henne sterbe, „aber geheult wird immer“. Wenn eines ihrer Tiere krank ist, dann ist sie krank. Dann werden alle Termine abgesagt. „Ich sag heute, Familie ist da, wo man sich wohlfühlt. Und Familie muss nicht menschlich sein.“

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