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Tiefflieger kappt das Seil

Der Seilbahnunfall in den Alpen war absehbar: Schon lange protestieren die Anwohner gegen die US-Tiefflüge  ■ Aus Cavalese Werner Raith

Noch in den frühen Morgenstunden buddeln Rettungsmannschaften, denen schon längst keine Hoffnung auf Überlebende mehr geblieben ist, nach Überresten der Opfer. Im Kreis von mehreren hundert Metern vermuten sie Körperteile, Taschen und andere persönliche Gegenstände von Passagieren der Gondel, die von Cavalese in der Provinz Trient zum Gipfel des Cermis fahren sollte.

Nachmittag kurz nach drei Uhr war es die letzte Fahrt für diese Menschen gewesen: Ein Ausbildungsflugzeug vom Typ A 6 der US-Luftwaffe hatte beim Tiefflug in den Alpentälern mit seiner Heckflosse das Seil der Bahn glatt durchgetrennt; beim Aufprall nach knapp 100 Metern Sturz wurden alle 20 Insassen getötet. Der US- Jet trug nur leichte Schürfer davon, der Pilot hatte bei seiner Landung am Standort im nordostitalienischen Aviano nicht einmal bemerkt, was er angerichtet hatte.

Nur dem guten Funktionieren der Notbremse ist es zu danken, daß die Gegengondel nicht auch noch abstürzte. Die allerdings hängt auch in der Nacht noch zwischen Himmel und Erde, ihr Führer – einzige Person an Bord – wurde mit einem Hubschrauber geborgen. Er hat einen tiefen Schock und will „nie mehr auf den Berg hinauf“.

Tausende von Dörflern verharren nahe der Bodenstation, ungeachtet der wiederholten Räumungsorder der Polizei. Nicht daß sie Verwandte unter den Toten wähnen – die drei Italiener an Bord wurden identifiziert, ansonsten waren es vor allem Deutsche, Belgier und Holländer. Mit dumpfem Murren begleiten sie jede Meldung aus dem Radio und den Fernsehgeräten im Büro der Seilbahngesellschaft. Mehr als vierhundert Eingaben an das Verteidigungsministerium, an das Nato-Hauptquartier, an den US-Botschafter haben sie gemacht, alles nutzlos. Ein Gesetz, das die Regionalregierung von Trento-Alto Adige voriges Jahr gegen die Tiefflüge verabschiedet hat, nutzte nicht im geringsten: „Die kümmern sich einen Dreck um unsere Normen“, klagt ein Regierungssprecher, „im Gegenteil: Man hat den Eindruck, seit wir uns wehren, düsen sie mit noch mehr Freude über unsere Köpfe.“

Da könnte etwas dran sein. Ein ehemaliger Fliegeroberst der US- Streitkräfte, selbst bis 1996 Ausbilder auf einem der Flugzeuge, die das gegnerische Radar ausschalten sollen, gibt gegenüber der taz unumwunden zu: „In unseren Casinos kam immer lautes Gelächter auf, wenn wir wieder von Eingaben hörten, und prompt wurde tags danach eine besonders intensive Schulung in den Alpenklüften angeordnet.“ Der Mann, der auch aus diesen Gründen seinen Abschied vom Fliegen genommen hat, ist sich auch sicher, daß der Unfall „keineswegs der erste seiner Art ist: Es hat Dutzende solcher Zwischenfälle gegeben. Nur ist es nie zu Personenschaden gekommen, auch weil wir in der Regel nur dann unter den Drähten durchgeflogen sind, wenn nicht gerade Saison war.“ Schadensersatz für lädierte Seile und Masten wurde in der Regel „großzügig und vor allem diskret geregelt“.

Die Menschen im 3.500-Einwohner-Städtchen Cavalese sind leidgeprüft: Vor 22 Jahren war aufgrund eines technischen Fehlers eine Gondel gegen einen Mast geprallt, über 40 Personen starben. Verurteilt wurden am Ende einige Handwerker und Aufseher, die in der Eile nicht die richtigen Schalter gedrückt hatten.

Als die Regierung damals neue Sicherheitsmaßnahmen versprach, hatten die Anwohner auch auf die Gefahr der Tiefflieger hingewiesen. Doch am Ende wurden zwar verbesserte Bremsanlagen eingebaut, aber ein Ende der Gefährdung aus der Luft kam nicht zustande.

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