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Tiefe in Primetime-TalkshowsDas Comeback des Polittalks

Warum die ARD manchmal dümmer ist als RTL. Und warum die verstaubten Talkshows im Fernsehen gerade trotz allem ein bisschen besser werden.

Fakten im Vordergrund: die neue politische Talkshow, hier Angela Merkel zu Gast bei Anne Will Foto: NDR

E s ist jeden Abend das gleiche Bild im ersten deutschen Fernsehen: Weißer Zickzack auf schwarzem Grund, der DAX klettert oder fällt, auf dem Parkett ist einiges los, und die Anleger freut’s. So klingen die Börsennachrichten, die die ARD seit 20 Jahren vor der „Tagesschau“ sendet. Antiquiert findet das eine Gruppe von Klima-Aktivist:innen, die sich „Klima vor acht“ nennt. Sie will, dass die ARD eine wissenschaftlich fundierte und verständliche Klimaberichterstattung anbietet, täglich, zur besten Sendezeit, statt „Börse vor acht“.

Nur wenige Menschen besitzen Aktien, der Klimawandel aber geht alle an, argumentiert die Initiative. Das ist zwar überspitzt, aber dass der DAX nicht als Indikator für das Wohlergehen einer Gesellschaft taugt, konnte man letzte Woche sehen, als der Kurs zum ersten Mal über 15.000 Punkte „kletterte“. Ein Rekordhoch, während wir hier unten im Rekordtief rumhängen.

Der Vorsitzende der ARD, Tom Buhrow, schreibt, er sei nicht zuständig für die Idee, zuständig sei Volker Herres, Programmdirektor der ARD. Der ist allerdings nur noch ein paar Wochen im Amt. Klingt nicht so, als hätte die ARD Interesse. Dafür hat RTL nun zugeschlagen. Der Sender führt Gespräche mit „Klima vor acht“, am 22. April, dem international Earth Day, wollen die Redak­tio­nen von RTL, Stern, Geo und ntv ein gemeinsames „Klima-Update“ senden. Ob „Klima vor acht“ dann täglich bei RTL läuft, ist noch unklar. Dumm von der ARD, clever von RTL. Wieso sollte also ein Klimaformat nicht auch bei RTL gut laufen?

Das Problem ist nur: ARD und ZDF sind die Sender mit dem größeren Einfluss. In der letzten Woche hat dort das scheinbar antiquierte Format der politischen Talkshow ein Comeback erlebt (sind ja eh alle zu Hause). Angela Merkel hat den Sessel bei Anne Will genutzt, um die Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen unter Druck zu setzen und Armin Laschet zu kritisieren. Laschet wollte den Sessel bei Markus Lanz nutzen, um sich zu verteidigen.

Die Zeit der Ex­per­t:in­nen

Wer in der MPK nicht weiterkommt, der setzt sich zu Anne Will oder Markus Lanz. Und das wird geguckt. Die Quoten von Lanz und Will klettern auf ein Rekordhoch wie der DAX, jeden Satz, der in diesen Sendungen fällt, kann man bei Twitter nachlesen.

Der Erfolg liegt auch daran, dass Talkshows an Tiefe gewonnen haben. Hätten in den vergangenen Jahren so viele Mi­gra­ti­ons­ex­per­t:in­nen in den Talkshows gesessen wie heute Me­di­zi­ne­r:in­nen und Bio­log:in­nen, wäre die Debatte um die Aufnahme von Geflüchteten anders verlaufen. Zudem schaffen Will und Lanz das, was wir sonst selten sehen: unsichere, zweifelnde Spit­zen­politiker:innen. Die Statements, die sie in Pressekonferenzen abgeben, sind oft geskriptet. Die Interviews in Zeitungen sind autorisiert – Raum für Unsicherheit bleibt da nicht.

Wer etwas erreichen will, sagt das noch immer am besten bei ARD oder ZDF. Wenn die Senderchefs wollen, dass das so bleibt, sollten sie sich das mit dem Klima nochmal anschauen.

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Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
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4 Kommentare

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  • Ich hatte ja bislang auch jede Menge Vorbehalte gegenüber den "Privaten".Bis mir ein Bekannter von "Joko & Klaas LIVE: Pflege ist #NichtSelbstverständlich" erzählte, einer mehrstündigen Reportage über Pflege in der aktuellen Situation (nicht, dass es vor zwei Jahren viel besser gewesen wäre). Der Beitrag lief übrigens über mehrere Stunden auf Pro7, und das komplett ohne Werbeunterbrechung. Unterdessen findet man auf den öffentlich rechtlichen allenfalls sporadisch mal einen kurzen Beitrag, noch dazu zu unmöglichen Zeiten. Schade eigentlich.

  • "Wieso sollte also ein Klimaformat nicht auch bei RTL gut laufen?"

    Gut laufen vielleicht. Ich würde es aber nicht ansehen. In einem Sender mit innigster Verquickung zu Werbekunden und Konzernen, würde ich einer "unabhängigen" Berichterstattung nicht trauen. Klima-News und anschließend Mercedes-Bonz-SUV Werbung?

  • Klima vor Acht wird bestimmt spannend. Was da so täglich an Neuigkeiten transportiert werden wird. Dagegen sind Börsenkurse geradezu statisch. Mal schauen, warum RTL so clever war. Manchmal muss man etwas kaufen, um es dann versenken oder weiter verkaufen zu können. Bei einem grünen Wahlerfolg im September wird die ARD vermutlich tief dafür in die Tasche greifen.

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    "Der Erfolg liegt auch daran, dass Talkshows an Tiefe gewonnen haben."



    Unsinn!



    Anne Will ,Maischberger usw produzieren ihre Sendungen selbst und verkaufen dann an ARD und ZDF.



    Anders ist es nicht zu erklären das immer und immerwieder Kubicki, Lindner oder andere Dummschwätzer eingeladen werden .Nicht etwa weil sie was interessantes oder kluges zu sagen hätten, sondern weil sie immer für einen blöden Spruch gut sind, der dann am nächsten Tag in der " Blödzeitung " steht.



    Genau so verhält es sich, mit der immer wieder zur Verfügung gestellten Plattformen für die AfD.