Tiefe Temperaturen, warme Gefühle: Winter, Aloe!
Manche Menschen finden die Kältepeitsche toll, andere leiden unter ihr. Zeit, mal an die Lebewesen zu denken, die unsere Hilfe dringend brauchen.
Im Garten des Mietshauses, in dem ich wohne, steht eine große Aloe. Bei Wikipedia lese ich, es gebe 500 Unterarten, bitte legen Sie mich nicht fest, um welche es es sich handelt. Mein Vermieter hat mir jedenfalls gesagt, unsere Aloe vertrage keine dauerhaften Minustemperaturen. Da ich ein bisschen in dem Garten rumwerkele, fühle ich mich zuständig.
In diese Zuständigkeit habe ich meine Söhne eingebunden, denn allein kann ich den schweren Kübel nicht ins geheizte Treppenhaus tragen. Meine Söhne machten sich beharrlich maulend über das alljährliche Geschleppe lustig, ich insistierte und irgendwann stand das kälteempfindliche Lebewesen dann immer dort, wo es überleben konnte respektive wieder im Garten, um die Frühlingssonne zu genießen.
Letztes Jahr nun fiel die Aktion „Aloe“ aus. Grund war der ausgefallene Winter. Nicht ohne eine schrullige Leidenschaft für den Wetterbericht zu entwickeln, konnte ich der Aloe jeweils zu Wochenbeginn mitteilen: Du darfst draußen bleiben.
Heuer ist alles wieder anders. Es schneit, es hat über Tage anhaltende zweistellige Minusgrade, alles wie in meiner Kindheit. Aber wir sind inzwischen andere geworden.
Keinen Bock mehr
Wir im Norden haben uns an die Wärme gewöhnt, ganz so wie wir uns daran gewöhnt hatten, dass tödliche Pandemien den Globalen Süden treffen und nicht unsere Festung Europa. Und meine Söhne haben endgültig keinen Bock mehr auf den sperrigen, grünen Igel.
Das größte Hindernis bei der Bekämpfung der globalen Erwärmung ist eben, dass sie eine Erwärmung ist und keine Abkühlung. Fielen unsere überhitzten Sommer ins nasskalte Nieselwasser– schon längst wären die FFF-Demos so generationengemischt überfüllt wie die Schwimmbäder bei den inzwischen nicht unüblichen 37 Grad Außentemperatur.
Experten sagen, dass eben der Klimawandel auch am gegenwärtigen Wintermärchen schuld sei. Kurz gesagt: Es wird nicht einfach nur wärmer, sondern zwischendurch auch durchaus mal kälter. Und ich bin so drauf: Ich glaube den Experten, ich glaube meinem Vermieter, ich kenne meine Söhne – und ich musste irgendwas mit dieser Aloe tun.
Sie steht jetzt unten im kühlen Durchgang, da wo ich den Kübel allein gerade so aus dem Garten hinrollen konnte, geschützt immerhin vorm putinesken Ostwind, in ein paar alte Decken gemümmelt.
Und tröstend sage ich zu ihr: Weißt du, Aloe – so ungefähr fühlt sich dieser lange Coronawinter auch für uns Menschen an.
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