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Thyssenkrupp: Viel Ärger für NRW-Regierung

Bei dem Industriekonzern stehen bis zu 20.000 Jobs auf der Kippe – auch wegen Trumps neuer Zölle auf Stahl

Aus Düsseldorf Andreas Wyputta

SPD und FDP haben die schwarz-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wegen des drohenden Verlustes von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen bei Thyssenkrupp kritisiert. Offenbar habe Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den Industriekonzern schon „abgeschrieben“, kritisierte SPD-Fraktionschef Jochen Ott.

„Es interessiert ihn nicht. Er sagt nichts dazu. Und er ist nicht da“, ärgerte sich der Sozialdemokrat. Statt sich der Debatte um den am Anfang jeder industriellen Wertschöpfungskette in Deutschland stehenden Stahlstandort Duisburg zu stellen, redete Wüst am Mittwoch in der Berliner NRW-Landesvertretung mit Microsoft-Präsident Brad Smith über künstliche Intelligenz.

Nicht reagieren konnte Wüst deshalb auf Forderungen der SPD, Nordrhein-Westfalen müsse über ein neu zu schaffendes Aufsichtsratsmandat direkt Einfluss auf Thyssenkrupp nehmen: Schließlich sei der Tochter Thyssenkrupp Steel (TKS) zur Umstellung auf klimaneutralere Produktion mit 700 Millionen Euro die größte jemals gewährte Einzelsubvention des Landes zugesagt worden. Hinzu kommen Bundeszuschüsse in Höhe von 1,3 Milliarden Euro – dabei sei bis heute unklar, woher der für den Klimaschutz nötige grüne Wasserstoff kommen solle, kritisierte FDP-Fraktionschef Henning Höne.

Außerdem brauche Thyssenkrupp „eine staatliche Beteiligung – zusammen mit dem Bund“, erklärte SPD-Fraktionsvize Sarah Phi­lipp. Zur „Sicherstellung unserer Verteidigungsfähigkeit“ sei TKS als größter deutscher Stahlproduzent unverzichtbar.

Doch der Gesamtkonzern fährt seit Jahren Verluste ein. Allein 2023/24 belief sich das Minus auf 1,5 Milliarden Euro. Konzernchef Miguel López will Thyssenkrupp deshalb aufspalten, auf Kapitalmarktfähigkeit trimmen und die Geschäftsfelder Stahl, Werkstoffhandel, Autozulieferung, Umweltschutztechnologien als Einzelfirmen an die Börse bringen. Gleiches gilt auch für den laut Insidern aktuell einzig profitablen Geschäftsbereich Marine-Werften mit seinem U-Boot-Bau.

Insgesamt könnten dadurch „mehr als 20.000 Arbeitsplätze auf der Strecke bleiben“, warnt der IG Metall-Vize Jürgen Kerner, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp ist. Allein in der Stahlsparte sind 11.000 Jobs gefährdet. Aktuell beschäftigt der Essener Konzen noch rund 96.000 Mitarbeiter:innen.

Dem Konzern sind hohe Subventionen für Klimaschutz zugesagt worden

Hohe Verluste fährt besonders die Duisburger Stahlsparte ein. Sie leidet unter subventionierter Konkurrenz vor allem aus China, schwächelnder Nachfrage der Autoindustrie – und seit Mittwoch unter hohen Zöllen der USA: Um Mitternacht hatte Präsident Donald Trump Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium von 25 auf 50 Prozent verdoppelt. Er wolle „wirksamer gegen andere Länder vorgehen, die weiterhin überschüssigen Stahl und Aluminium zu niedrigen Preisen in den Vereinigten Staaten abladen“, erklärte Trump. Die deutsche Wirtschaftsvereinigung Stahl sprach von einer „massiven Belastung für unsere Branche“. Im erklärte die grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, sie setze auf den „Steel Action Plan“ der EU: Der solle verhindern, dass Dumping-Stahl „nach Europa hereinflutet“.

In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung hatte Neubaur Thyssenkrupp indirekt mit Subventionsentzug gedroht: Die 700 Millionen Euro schwere Landesförderung sei „an konkrete Bedingungen geknüpft“, zitierte sie die Zeitung am Mittwoch– etwa daran, dass sich der Konzern „zu seinen Standorten bekennen“ müsse. Eine „konkrete Standortgarantie im juristischen Sinne“ sei damit aber nicht gemeint, hieß es dazu auf taz-Nachfrage aus Neubaurs Ministerium – wohl aber „eine industriepolitische Erwartung an den Konzern, den laufenden Transformationsprozess verantwortungsvoll, transparent und sozialverträglich zu gestalten“.

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