Thüringen geht auf Barrikaden: Steuerstreit droht zu eskalieren
Im Streit um die geplanten Steuersenkungen droht auch ein Nein aus Thüringen. CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht stufte die befürchteten Steuerausfälle für ihr Land als "nicht verkraftbar" ein.
BERLIN dpa | Der Steuerstreit innerhalb der Union zwischen Bund und Ländern droht weiter zu eskalieren. Nach den harten Worten aus Schleswig-Holstein und Bedenken aus Stuttgart und Dresden droht jetzt auch aus Thüringen ein Nein zu den geplanten Steuersenkungen. CDU- Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht drohte am Samstagabend im ZDF offen mit einem Nein im Bundesrat zu dem Paket, da sie die befürchteten Steuerausfälle für ihr Land als "nicht verkraftbar" wertete. "Deshalb gebietet es die Verantwortung für das Land und den Haushalt, dass wir dem nicht zustimmen können", sagte Lieberknecht, die in Erfurt an der Spitze einer Koalition von CDU und SPD regiert.
Zuvor schon hatte Schleswig-Holsteins Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU) nach Medienberichten bei einem Treffen der CDU- Länderchefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Rücktritt gedroht, sollten die Bedenken seines Landes nicht berücksichtigt werden. Diese Drohung wurde später von Carstensens Sprecher relativiert. Nach einem Bericht des Magazins "Focus" sprachen Teilnehmer der Runde von einer "vergifteten Atmosphäre" und massiver Kritik an der Kanzlerin. Carstensen sei noch von Saarlands Regierungschef Peter Müller unterstützt worden. Denn was für Schleswig-Holstein gelte, gelte auch für das Saarland, "und zwar hoch drei". Zuletzt hatte auch Sachsen mit einer Ablehnung der Steuerpläne gedroht. Auch Baden-Württemberg meldete Bedenken an.
Nach den bisherigen Plänen der schwarz-gelben Bundesregierung sollten die beabsichtigten Steuersenkungen spätestens am 18. Dezember als Wachstumsbeschleunigungsgesetz den Bundesrat passieren. Falls das schwarz-gelb regierte Schleswig-Holstein den geplanten Steuersenkungen nicht zustimmt, hätten Union und FDP im Bundesrat keine Mehrheit für das Gesetz.
Vielfach befürchten die Bundesländer massive Einnahmeausfälle und fordern von Berlin einen Ausgleich. Allein Kiel geht von Ausfällen im Umfang von rund 70 Millionen Euro aus. Bei dem Treffen mit Merkel verständigte man sich nicht auf eine gemeinsame Linie zu Ausgleichszahlungen des Bundes. Union und FDP wollen von Januar an Bürger und Unternehmen um jährlich 8,5 Milliarden Euro entlasten. Unter anderem sollen der Kinderfreibetrag und das Kindergeld schon Anfang 2010 angehoben werden.
Angesichts des Streits warnte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die Union vor einem Wortbruch. "Wir haben die Steuersenkungen den Menschen vor der Wahl versprochen und dürfen jetzt nach der Wahl unser Wort nicht brechen", sagte er der "Bild am Sonntag". Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sei so beschlossen worden und werde jetzt auch so kommen. "Alle in der Union haben dem zugestimmt", betonte Seehofer.
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