Thriller-Serie „Vigil“: Eingesperrt unter Wasser
Das Verschwinden von Fischern und ein Mord auf einem Atom-U-Boot bringen die Ermittler in Konflikt mit der Navy und dem Inlandsgeheimdienst.
Es ist kein gewöhnlicher Fang, der sich in der ersten Szene von „Vigil“ in den Netzen eines kleinen Fischkutters vor der Küste Schottlands verfängt. Innerhalb weniger Minuten wird das Boot mitsamt der vierköpfigen Besatzung in die Tiefe gezogen; fast könnte man denken, ein Tiefseemonster à la Nessie würde den Fischern hier zum Verhängnis. Doch wir befinden uns nicht in einer Fantasy-Produktion, sondern einer britischen Krimiserie – und so stellt sich das Unglück bald als tragische Zufallsbegegnung mit einem U-Boot heraus.
Kein aus der Luft gegriffenes Szenario, schließlich patrouillieren bis heute allzeit Atom-U-Boote in den britischen Gewässern, die zugehörige Basis der Royal Navy befindet sich – zum Missfallen weiter Teile der schottischen Bevölkerung – im Firth of Clyde. Um das Schicksal der versenkten Hochseefischer geht es dann im Verlauf der sechs Episoden eigentlich nur noch am Rande, doch auf das U-Boot – die „HMS Vigil“ – konzentriert sich die Aufmerksamkeit trotzdem. Denn an deren Bord kommt ein Crew-Mitglied ums Leben, vermeintlich durch eine Heroin-Überdosis.
Die Polizei muss ermitteln, was schon unter normalen Umständen im Militärkontext von wegen Verschwiegenheit und Zuständigkeiten nicht unkompliziert wäre. Doch weil die Mannschaft der „HMS Vigil“ ihre Mission nicht unterbrechen und einfach an Land gehen darf, muss Detective Amy Silva (Suranne Jones, zuletzt schon brillant in „Gentleman Jack“) sogar für ein paar Tage an Bord gehen und den Fall vor Ort untersuchen.
Ein dichtes Netz aus Verschwörungen und Enthüllungen
„Vigil – Tod auf hoher See“
Vom 6. 1. bis 18. 2. auf arte.tv und
ab 13. 1. bei Arte
Es zeigt sich schnell: Eine flugs abgewickelte Formsache ist diese Untersuchung nicht. Silva findet einige Indizien dafür, dass es sich bei dem Todesfall um Mord handelt und muss nun, unter Wasser eingesperrt mit einer ganzen Reihe potenzieller Verdächtiger, im Alleingang den oder die Täter*in ermitteln. Derweil ist ihr Kontakt zur Außenwelt ihre Kollegin und Ex-Freundin Kirsten Longacre (Rose Leslie aus „Game of Thrones“ und „The Good Fight“), die im Umfeld eines Friedenscamps nahe dem (fiktiven, aber erkennbar von der Realität inspirierten) Marinestützpunkt auf eine Aktivistin stößt, die die Lebensgefährtin des Opfers und wenige Tage später selbst tot ist. Und damit sind noch längst nicht alle Kreise abgesteckt, die dieser Fall bis hinein in die Politik und den Geheimdienst zieht.
Nirgends werden dieser Tage Krimis spannender und effizienter erzählt als im britischen Fernsehen, und dass das dichte Netz aus Verschwörungen, Enthüllungen und Motiven, das die Macher von „Vigil“ weben, da keine Ausnahme darstellt, ist wenig verwunderlich. Schließlich kann man auf hinreichend Erfahrung verweisen. Showrunner Tom Edge, der sich diese BBC-Serie ausgedacht hat, war in der Vergangenheit bereits an „Strike“ beteiligt, Regisseur James Strong (der die ersten drei Folgen inszenierte) drehte früher „Broadchurch“, und die Produktionsfirma ist hier die gleiche wie bei „Line of Duty“, „Save Me“ oder „Bodyguard“.
Nicht dass „Vigil“ nun fehlerlos wäre. Dass das Innenleben des U-Boots viel zu geräumig und kamerafreundlich gestaltet wurde, konstatierten bereits hinreichend diverse Expert*innen. Und vielleicht hätte man der Protagonistin, die ihren früheren Partner nach einem Autounfall nicht aus dem Wasser retten konnte, auch ein Trauma weniger aufhalsen können.
Davon abgesehen aber überzeugen nicht nur die Hauptdarstellerinnen und der Rest des Ensembles auf ganzer Linie, sondern auch die Drehbücher, die dicht und temporeich sind, geschickt reale politische Konflikte in den Plot integrieren und sich für ihre – übrigens beträchtliche – Spannung längst nicht nur auf das klaustrophobische Setting verlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!