Thor Steinar-Klage gegen Satirelabel: Storch besiegt Fascho-Fashion
Das von Rechtsextremen gekaufte Modelabel Thor Steinar verliert Nürnberger Prozess. Gewinner ist die Marke Storch Heinar, die den Kampf gegen Rechts alles andere als bierernst führt.
"Storch Heinar" ist ein klappriger Vogel mit Führerbärtchen und Stahlhelm. Und eine Verballhornung des bei Rechtsextremen beliebten Modelabels Thor Steinar. Am Mittwoch hat nun das Landgericht in Nürnberg entschieden: Der "Führer-Storch" darf weiter T-Shirts, Tassen, Anstecker und andere Gegenstände zieren. Eine Klage des Modelabels Thor Steinar gegen die Macher der Satire wurde überwiegend abgewiesen.
Die Persiflage sei erlaubt und von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt, lautete das Urteil. Eine Verletzung des Markenrechts oder des Wettbewerbsrechts konnte das Gericht auch nicht erkennen. Eine Verwechslungsgefahr zwischen Thor Steinar und dem Satire-Storch bestehe nicht - ähnlich wie bei "Lusthansa"-Spaß-Shirts, mit der die Fluggesellschaft Lufthansa veralbert wird.
Die Betreiberfirma von Thor Steinar, die MediaTex GmbH aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen, wollte die Modesatire verbieten und ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro verhängen lassen, sollten sich die Macher von "Storch Heinar" nicht daran halten. Eine Abweisung der Klage in Nürnberg war erwartet worden. Bereits bei der mündlichen Verhandlung vor drei Wochen hatte der Vorsitzende Richter MediaTex geraten, die Klage zurückzuziehen.
Hinter "Storch Heinar" steht in erster Linie Mathias Brodkorb, der den Blog "Endstation rechts" betreibt und für die SPD im mecklenburg-vorpommerischen Landtag sitzt. Sein Ansatz: Den Kampf gegen die Rechtsextremen nicht immer bierernst zu führen.
Das tat er gemeinsam mit Spaß-Antifaschisten wie der "Front Deutscher Äpfel" (FDÄ), die "Storch Heinar" am Mittwoch auch gleich zur "heldenhaften Durchbruchsschlacht an der Modefront" gratulierte. Auch auf "Endstation rechts" ging man mit dem Erfolg humorvoll um. "Ich habe im Nürnberger Modeverbrecherprozess meinen Gegner vernichtend geschlagen", verkündete dort "Storch Heinar", der sich den "größten Modedesigner aller Zeiten" nennt, den GRÖMAZ.
Doch hat Brodkorbs Kampf einen ernsten Hintergrund. Die rechtsextreme Szene stabilisiere sich zunehmend über die Vermarktung eines bestimmten Lebensstils, über Musik und Mode eben, sagte der SPD-Politiker der taz. "Ideologien lassen sich durch Mode auf eine unterschwellige Art und Weise sehr gut verbreiten", sagte Brodkorb.
Eine kleine Niederlage mussten er und seine Mitstreiter vor Gericht aber doch hinnehmen. Eine im "Storch Heinar"-Online-Shop angebotene Tasche darf nicht länger den Aufdruck "Wüstenfuchs" tragen, da die Firma MediaTex sich hier vorher die Namensrechte gesichert hatte. Verkauft werden soll die Tasche trotzdem weiterhin: Vorerst als schlichte "Kampftasche". Brodkorb und seine Mitstreiter überlegen aber, ob sie künftig den Beinamen "Büstenluchs" tragen soll. Die Kosten des Rechtsstreits muss zu 94 Prozent die "Thor Steinar"-Vertriebsfirma MediaTex bezahlen, sechs Prozent müssen die Macher von "Storch Heinar" übernehmen.
Die 2003 gegründete MediaTex GmbH betreibt nach eigenen Angaben inzwischen zwölf Thor-Steinar-Läden in Deutschland, die Namen wie "Tønsberg" oder "Narvik" tragen. Immer wieder kommt es zu Protesten und Klagen gegen die Geschäfte. Auf den dort verkauften Kleidern finden sich Anspielungen an den Zweiten Weltkrieg, die deutsche Kolonialzeit oder die nordische Mythologie.
Im ursprünglichen Logo konnte man Ähnlichkeiten zu Runen erkennen, die auch im Nationalsozialismus verwendet wurden. Im Jahr 2005 wurde das Logo zu einem Kreuz mit zwei Punkten geändert. Der Brandenburgische Verfassungsschutz stellte aber auch danach fest, dass die Marke im "aktionsorientierten Rechtsextremismus" getragen werde.
Thor Steinar war in Teilen der rechtsextremen Szene etwas in Verruf geraten, als 2008 ein arabischer Investor in die MediaTex GmbH eingestiegen war. Doch laut Handelsregistereintrag ist zumindest der zwischenzeitige Geschäftsführer Mohammed Aweidah aus Dubai seit Ende Mai nicht mehr im Amt. Der neue Geschäftsführer Marco Wäspe war am Mittwoch nicht zu erreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“