Thomas Tuchel und FC Bayern trennen sich: Bayerische Beziehungshölle
Die Klubführung verkündet den Abschied von Thomas Tuchel zum Saisonende. Das Verhältnis zwischen Trainer und Team ist schon länger gestört.
Manchmal haben die Chefs eines Fußballklubs gar keine andere Wahl, als ein bisschen zu flunkern, weil die Wahrheit für noch mehr Aufregung sorgen würde. Als der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, Jan-Christian Dreesen, am Sonntag versicherte, dass ein Trainerwechsel aktuell kein Thema sei, mit dem man sich beschäftige, gab es wohl kaum jemanden, der das ernsthaft glaubte.
Es wäre ja auch fahrlässig gewesen, es nicht zu tun nach drei Niederlagen hintereinander. Allerdings ging es Dreesen dabei wohl vor allem um das Wörtchen „aktuell“, denn die Verantwortlichen waren wohl wild entschlossen, auch nach dem 2:3 in Bochum, mit Thomas Tuchel die Saison zumindest zu beenden.
Daran haben die Beratungen in den vergangenen Tagen nichts geändert. Es wird einen Trainerwechsel geben, aber erst nach der Saison. „In einem offenen, guten Gespräch“ mit Tuchel, so verkündete Dreesen in der Pressemitteilung des Klubs, sei man zu dem Entschluss gekommen, „die Zusammenarbeit zum Sommer einvernehmlich zu beenden“, ein Jahr vor Vertragsende. Nächste Saison wolle man „eine sportliche Neuausrichtung mit einem neuen Trainer“ vornehmen. Tuchel selbst ließ sich mit der Aussage zitieren, dass er und sein Trainerteam „selbstverständlich weiter alles für den maximalen Erfolg“ geben werden.
Unerwartet kommt diese Entscheidung nicht, denn passende Interimslösungen waren keine auf dem Markt. Höchstens der Zeitpunkt überrascht, weil die Krise ja längst nicht überstanden ist. Andererseits sorgt die Bekanntgabe vor der Partie am Samstag gegen RB Leipzig für ein wenig Ruhe, zumindest dürfte das die Hoffnung der Münchner sein. Dass die Trennung doch noch früher kommen kann, wenn sich die Negativserie fortsetzt, ist eine andere Geschichte. Aber die Bayern haben das Thema bisher so seriös behandelt, wie es angesichts der Krise möglich ist, auf jeden Fall viel seriöser als im vergangenen Jahr bei der vorschnellen Freistellung von Julian Nagelsmann.
Schon wieder eine Neuausrichtung
Die Entscheidung soll aber auch als Signal an die Mannschaft verstanden werden, weil ja nicht alles, was in den vergangenen Monaten schieflief, dem Trainer angelastet werden kann. Nun sei „jeder Einzelne gefordert“, lässt Dreesen wissen, „das maximal Mögliche zu erreichen“.
Was nichts anderes bedeutet, als dass die Verantwortlichen den Rest der Saison die Spieler auf Herz und Nieren beziehungsweise auf ihre Kampfbereitschaft und ihren Siegeswillen prüfen. Sie werden sich genau anschauen, wer sich gegen die Krise aufbäumt. Und wer bei diesem Mentalitätstest durchfällt, hat wohl keine Zukunft im Verein. Denn die von Dreesen angesprochene Neuausrichtung ist mit einem Umbruch in der Mannschaft verbunden.
Tuchel hat Teilen dieses Teams von Anfang an nicht vertraut, und irgendwann war auch das Vertrauen der Mannschaft in den Trainer verschwunden. Joshua Kimmich und Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld hatte er das Gefühl gegeben, nicht das zu spielen, was er von ihnen erwartete. Matthijs de Ligt zeigte die stabilsten Leistungen in der Innenverteidigung und musste dennoch immer wieder Min-Jae Kim und Dayot Upamecano den Vortritt lassen. Und Thomas Müller lobt Tuchel zwar oft, setzte ihn aber selten von Anfang ein.
Dass er am Sonntag in Bochum genau all jene Spieler aufbot, die sich von ihm zurückgesetzt fühlten, war vermutlich eher der Hoffnung geschuldet, mehr Widerstandskraft auf den Platz zu bringen. Aber auch die Führungsspieler sind mittlerweile verunsichert, die Mannschaft geriet ebenso leicht aus der Spur wie jene, der der Trainer in Leverkusen oder Rom vertraut hatte und vermutlich etwas mehr „sein“ Team gewesen war.
Die Gewissheit, dass es bald vorbei ist, die Tage von Tuchel in München gezählt sind, kann eine Befreiung sein. Für ihn, weil er schon länger den Eindruck erweckte, in München nicht mehr Thomas Tuchel sein zu können. Denn beim FC Bayern ging es zuletzt weniger darum, fachlich ein guter Trainer zu sein, sondern vielmehr darum, die Spieler starkzureden, also um Psychologie und Empathie, und das scheint ihm nicht so zu liegen. Aber vor allem dürfte es für die meisten Spieler eine Erlösung sein.
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