Theatertipps der Woche: Theatralische Geisterbeschwörung
Gastiert in der Akademie der Künste: Milo Raus „School of Resistance“. Am Ballhaus Ost läuft „Ghosting“. In Augsburg steigt das Brecht-Festival.
D er Theatermacher Milo Rau hat stets die Grenzen zwischen Theater, Dokumentation, Journalismus und aktivistischer Intervention ausgelotet. In seinen Arbeiten ging es um die triggernde Wirkung von Medien auf mörderisch ausartende Bürgerkriegs-Konflikte („Hate Radio“, 2012), ebenso wie um die Frage, inwieweit Theater historische Ereignisse in einer Art theatralischer Geisterbeschwörung vergegenwärtigen kann („Die letzten Tage der Ceaucescus“, 2010). Verhandelt wurde auch, ob das Theater die Rolle abwesender demokratischer Gerichtsbarkeit übernehmen kann („Das Kongo Tribunal“, 2017).
Am NT in Gent, das Rau seit 2018 leitet, hat er im Mai 2020 die „School Of Resistance“ gegründet, die nun vom 24. bis 28.2. digital in der Akademie der Künste gastiert: ein Mix aus Streams von Aufzeichnungen diverser Rau-Inszenierungen und einer Debattenreihe, in der der Schriftsteller Édouard Louis und der Philosoph und Soziologe Geoffroy de Lagasnerie mit Milo Rau insbesondere die Verschränkungen von Aktivismus und Kunst diskutieren wollen – die berühmte „Ästhetik des Widerstandes“ also, bzw. die Frage, ob es sowas überhaupt gibt (Akademie der Künste: „School Of Resistance“, 24. bis 28.2., www.adk.de).
Geisterraum Internet
Als im November 2020 wieder die Theater geschlossen wurden, zogen die Gruppe „Monster Truck“, der Choreograph Segun Adefila und die 7 Performerinnen der Kindertheatergruppe „Footprints of David“ aus Lagos in den Geisterraum Internet um. Dort ist für das Ballhaus Ost ein digitaler Theaterabend entstanden, den seine Macher:innen mit „Ghosting“ überschrieben haben.
„Ghosting“ ist ein Begriff aus der Psychologie, der den plötzlichen totalen Kontaktabbruch eines Partners in einer Beziehung bezeichnet. (Livestream-Premiere 27. Februar 2021, 12.00 Uhr, online verfügbar bis 28. Februar 2021, 23.59 Uhr, Q&A mit dem Ensemble am 28. Februar 2021, 19.00 Uhr, ebenfalls im Livestream. Alle Infos: www.ballhausost.de).
Material Medea
Empfohlen sei auch ein digitaler Ausflug nach Augsburg, wo 1898 der in Berlin bestens bekannte Dramatiker Bertolt Brecht geboren wurde. Deshalb veranstaltet die Stadt jährlich ein Brecht-Festival, das seit 2020 von dem in Berlin ebenfalls bestens bekannten Duo Tom Kühnel und Jürgen Kuttner geleitet wird. 2021 findet es digital statt, unter anderem zeigen Kühnel/Kuttner ihre neue Produktion „Medeamaterial“ von Heiner Müller. Die Jahrhundertpuppenspielerin Suse Wächter schickt einige der markantesten ihrer legendären „Helden des 20. Jahrhunderts“ mit Brechtsongs ins Netz (Brechtfestival Augsburg: 26.2. bis 7.3., www.dringeblieben.de/brecht-festival).
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!