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Theaterstück „Druck!“ in MannheimWas ist oben weiß und unten schwarz?

Geteilte Erfahrungen: Das Nationaltheater Mannheim macht die aktuell schwierige Lage von Menschen mit migrantischen Hintergründen zum Thema.

Szene aus der Mannheimer Inszenierung von „Druck!“ Foto: Natalie Grebe

Während man hierzulande, noch geschockt von der Messerattacke in Aschaffenburg, erneut über Asyl und Flucht als die vermeintliche Mutter aller Probleme debattiert, prescht das Nationaltheater Mannheim mit einer mutigen Uraufführung vor.

Denn was das aufgeheizte Diskursklima bei hier schon lange lebenden Menschen anderer Hautfarbe oder Ethnie bewirkt, davon gibt Arad Dabiris Stück schon im Titel Kunde, nämlich „Druck!“. Druck zur Anpassung, Druck, nicht mit ungewöhnlichem Verhalten aufzufallen, Druck, sich sogar vorbildlicher als manch Deutsche zu benehmen.

Daran scheitern viele, so auch Hassans Bruder. Kleinere Drogendeals haben ihn in den Knast gebracht. Letztlich können dafür nur rassistische Strukturen in der Polizei ursächlich sein, meinen seine Freunde. Dagegen plädiert seine beruflich erfolgreiche Schwester (Shirin Ali), die wie die ganze Familie einen iranischen Hintergrund hat, für mehr Selbstverantwortung, anstatt sich in Klagen über das System zu ergehen. Ungeachtet dessen wissen alle, dass letzteres Chancen verbaut. Da hilft manch einem nur noch Galgenhumor: „Was ist oben weiß und unten schwarz? – Die Gesellschaft!“

Erzählt wird der Witz auf einer in der Mitte der Bühne befindlichen Parkbank, dem Treffpunkt der Clique. Hier ringt man mit Argumenten. Schuld, Trauer, Wut – alle Emotionen finden hier Raum. Auch der Entschluss, endlich gegen die verkrusteten Verhältnisse aufzubegehren, nimmt hier seinen Anfang. Rasch manifestiert sich der Wille zu einer Demonstration. Die Eskalation scheint selbstverständlich erwartbar.

Obgleich man sich in dieser Inszenierung von Ayşe Güvendiren stellenweise mehr Bilder und Assoziationen gewünscht hätte, gelingt sie aus zwei Gründen: erstens aufgrund des energievollen, mit dem Au­to­r:in­nen­preis des Heidelberger Stückemarkts nobilitierten Textes, zweitens wegen des fantastischen Bühnenbildes (Theresa Scheitzenhammer). Denn die Protagonistinnen werden von einem Guckkasten eingerahmt, förmlich gefangen genommen. Wie in einem Fernsehbild findet deren Handeln allein dahinter statt.

Kein Außerhalb der medialen Klischees

Die Botschaft: Es gibt für diese Menschen kein Außerhalb der medialen Klischeemaschinerie. Sie sind und bleiben die Fremden – und sprechen fast immer frontal zu uns, den symbolischen TV-Zuschauer:innen. Dass sie von Kameras aus mehreren Perspektiven gefilmt und diese Bilder dann auf die quadratische Bühneneinfassung projiziert werden, zeugt zudem von der misstrauischen Beobachtung, der sie durch die Öffentlichkeit ausgesetzt sind.

Lediglich am Ende, als die Prot­ago­nis­t:in­nen zum Protest übergehen und die Situation durch Schlägereien zwischen Nazis und linken Splittergruppen außer Kontrolle gerät, kippt der Rahmen. Dann haben wir es tatsächlich mit einem Ausbruch aus den aufgezwungenen Rollenmustern zu tun, aber eben zum Preis der Gewalt.

Seiner Autonomie beraubt, zuckt Hassan (Barış Özbük) kurz darauf im dämmrigen Licht hin und her. Er erinnert an eine Marionette, scheint Schläge abzuwehren. Übrigens erweisen sich die Protagonisten schon davor wie von einer unsichtbaren Macht gesteuert, sprechen sie doch alle Regieanweisungen mit.

Die kluge Komposition des Abends ist das eine, das andere die Besonderheit des Aufführungsortes. Denn Mannheim, diese multiethnische Arbeiterstadt, bespiegelt sich mit „Druck!“ selbst. Allein das bunte Publikum, die anwesenden Schü­le­r:in­nen mit diversen Hintergründen lassen diesen Abend zur geteilten Erfahrung werden. Nicht mit einem nachzubetenden, naiven Lösungsansatz, sondern mit einer Einladung: zum gegenseitigen Zuhören- und Verstehenwollen.

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