Theater muss weichen: Tod eines Kulturortes
Das Bremer Kriminaltheater soll einem neuen Wohnhaus weichen. Eine neue Spielstätte ist noch nicht in Sicht.
„Sie wird abgerissen und ein mehrstöckiges Wohnhaus errichtet“, so Knapp. Das habe ihm die Grundstücksgesellschaft Steintor mbH mitgeteilt. Aber zugleich auch in Aussicht gestellt, in den Neubau eventuell ein Theater zu integrieren.
Dirk Georgus, seit 2011 Geschäftsführer des Unternehmens, erklärt dazu auf Nachfrage der taz: „Dafür sind wir nicht zuständig.“ Wird es bei der Kündigung bleiben? „Dazu sage ich nichts.“ Was ist konkret an dem Standort geplant? „Ich beende jetzt das Gespräch.“
Ralf Knapp erklärt, es handele sich um eine Erbengemeinschaft. Ihr gehörten auch die vom Umzugsunternehmen Dullien genutzten Räume an der Friesenstraße sowie Vor dem Steintor die Gebäude der Schauburg-Kinos, des benachbarten Bäckers und des Discounters. Nach einem Todesfall sei kürzlich die nächste Generation Erben nachgerückt, was den Neubauwillen vielleicht erkläre, meint Knapp.
Die Suche nach Alternativen
Und was macht das Theater ohne Raum? Es sucht eine neue Heimat. Bau- und Kulturbehörde seien eingeschaltet, sagt Knapp, die Wirtschaftsförderung auch. Wie wäre es mit dem ehemaligen Concordia-Theater? „Zu marode, da müsste man richtig investieren, das können wir nicht.“ Und das Waldau-Theater in Walle? „Das ist drinnen jetzt parzelliert, wird für türkische Hochzeiten genutzt, hat praktisch keine Bühne mehr.“
Ist im boomenden Hafenquartier Platz? „Das ist kein Ort, wo Bremer kontinuierlich gern hingehen.“ Und jetzt? „Im Gebäudekomplex der neuen Waller Union-Brauerei existiert ein noch ungenutzter Ballsaal, das wäre was.“
Gibt es Alternativem im Viertel? „Im Areal des Klinikums Mitte ist das zentrale Gebäude interessant, es wird dieses Jahr verkauft. Die Backsteinfassade aus dem vorigen Jahrhundert würde gut zu unseren Krimis passen.“ Und die ehemalige Pathologie? „In den Hörsaal zur Leichenschau passen nur 60 Zuschauer, wir haben jetzt 150 Plätze und die brauchen wir auch.“
Ein Haus mit Geschichte
Der jetzige Flachbau des Kriminaltheaters hat eine vielfältige Geschichte. Einst war er Lager für Möbel und Medikamente, später wurde er als Reifenhandel und schließlich vom Jungen Theater genutzt. 2000 eröffnete das „Scenario“ – als Theatergastspielort und Tanzstudio.
Der rege Betrieb auch in manch frühen Morgenstunden hatte Beschwerden eines Anwohners zur Folge, die eskalierten. Der Kulturort musste schließen – wurde von der Moks-Theaterschule zwischengenutzt und vor fünf Jahren als festes Haus des Kriminaltheaters wieder eröffnet.
„140.000 Euro habe ich den Umbau investiert“, sagt Knapp. Deswegen sei auch die Miete jetzt so günstig. „In den 1990er-Jahren hat das Junge Theater 4.400 Mark monatlich gezahlt, jetzt sind es 1.600 Euro.“ Das sei dem baulichen Zustand angemessen.
„Aber mit dem laufenden Betrieb können wir uns nur einigermaßen über Wasser halten, die Schulden zurückzuzahlen, ist nicht möglich“, so Knapp. Die Bühne habe 12.000 Besucher pro Jahr, mache mit 200 Vorstellungen und drei Neuinszenierungen pro Saison plus Vermietung etwa 300.000 Euro Umsatz.
Zwischen Theaterschiff und Goetheplatz
„Wir schließen eine Angebotslücke in Bremen“, sagt Knapp. „Wem die Singspiele und Boulevardspäße auf dem Theaterschiff zu platt sind und das Theater Bremen für zu experimentell hält, der kommt zu uns.“ Wo das Bemühen deutlich ist, das Krimi-Genre möglichst breit abzubilden.
Karl Schönherrs „Der Weibsteufel“ sorgte auch überregional für Furore, derzeit ergänzt Peter Høegs Bestseller „Fräulein Smilla“ den Publikumshit „Arsen und Spitzenhäubchen“. Nächste Premiere ist am 19. Februar eine Dramatisierung Bremer Mordfälle, die das Team um Profiler Axel Petermann aufgeklärt hat.
Aktuell leben Knapp und seine Kollegin Perdita Krämer hauptberuflich vom Kriminaltheater. Es gibt auch eine Angestellte der Gastronomie, einen Minijobber für die Technik und eine Auszubildende als Veranstaltungskauffrau. Knapp: „Zudem arbeiten etwa 50 Theaterleute auf Honorarbasis für uns. Das soll auch 2017 so bleiben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit