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The Damned-Gitarrist Brian James ist totRoh, schnell, ranzig

„New Rose“ von The Damned ist die erste britische Punksingle: ein genuiner Arschtritt-Song. Ein Nachruf auf ihren Schöpfer, den Gitarristen Brian James.

Damned-Gitarrist Brian James in London, 1977 Foto: Erica Echenberg/Redferns/getty images

Zeitenwende ist auch so ein Wort. Am 22. Oktober 1976 begann aber wirklich eine patzige neue Zeit. Die Erde zum Beben brachte an jenem Tag „New Rose“ von The Damned, die allererste britische Punksingle überhaupt, veröffentlicht einige Wochen vor der ersten Sex-Pistols-Single, beim Indielabel Stiff Records.

Eingespielt in nur vier Stunden, so geht die Sage. „Wir waren rechtzeitig zur Teatime fertig,“ behauptete Damned-Bassist Captain Sensible. „Die Leute wunderten sich, warum keine Overdubs zu hören sind. Es gab schlicht keine, wir waren von Natur aus roh und ranzig.“ Die Musik von „New Rose“ klingt, als würde man einem Blitz beim Einschlagen zuhören: Den zwei Minuten 40 Sekunden dauernden vorauseilenden Ungehorsam kündigt bereits das Hochoktan-Gitarrenriff an, beigesteuert von Brian James.

James, der in der Ursuppe zwischen Glamrock und Punk zunächst mit Mick Jones (The Clash) und Leith Levene (PIL) herumgestochert hatte, war es auch, der The Damned im Frühjahr 1976 zusammengetrommelt hatte. Regelmäßig traf man sich am Arbeitsamt Lisson Grove, um Stütze abzugreifen. Neben Captain Sensible mit dabei waren Sänger Dave Vanian und Drummer Rat Scabies.

Warum James der einzige ohne Pseudonym blieb? Jedenfalls schuf Brian James fast alle der gemeinen Damned-Songs aus der Frühphase: „Neat, Neat, Neat“, „I fall“ und eben „New Rose“. Knapp zweieinhalb Minuten. Später gab James freimütig zu, dass der Song eigentlich von Captain Sensibles Bass getragen wird. Sensible sollte ursprünglich Gitarre spielen und schmatzte den Bass aus Trotz wie eine Gitarre. Die Rivalität bestand ein Bandleben lang.

Die schönste Fassung von „New Rose“ entstand bei der ersten Peelsession von The Damned, aufgenommen im November 1976 im Studio der BBC: „Are we really #65 in the Charts?“, fragt Dave Vanian sarkastisch und dann sprinten sie los, wie überzüchtete Windhunde und kommen schon nach 2:38 Minuten ins Ziel. „Eat your heart out, John Peel“, rufen sie dem Moderator am Ende aufmüpfig nach.

Nie auf Linie

Auf Parteilinie waren The Damned nie. Die Attitüde war eher von der Methode „Teen-Krawall“ abgeleitet. „I got a feeling inside of me/It's kind of strange, like a stormy sea“, singt Dave Vanian in „New Rose“, nicht neurotisch, sondern renitent. Gerne wurde Equipment auf der Bühne zertrümmert, auf dem Cover des Debütalbums lichteten sich the Damned mit Sprühsahne in den Gesichtern ab.

Wenn man dieses Image am unbeweglichen britischen Klassensystem der 1970er spiegelt, wird es interessant: The Damned begegneten lahmen Beharrungsvermögen, guten Sitten und leeren Versprechungen der Konsummoderne mit Stil, Speed und Chuzpe und torpedierten den braven Ehrgeiz des Mainstream durch Chaos.

Erste britische Punk-Tour in den USA

1977 tourten The Damned wieder als erste der britischen Punkbands in den USA. In New York lernten sie die Kollegen von The Dead Boys kennen. Zwischen Dead-Boys-Sänger Stiv Bators und Brian James entstand eine Freundschaft, die dann nach seinem Ausstieg bei The Damned um 1981 zum Bandprojekt Lords of the New Church führte. Der Sound von LOTNC war psychedelisch, etwas Gothic, als wären die posttraumatischen Vietnam-Veteranen-Filme des New Hollywood in Postpunksongs überführt. Drei Alben entstanden bis zur Auflösung 1989.

The Damned hatten sich währenddessen auch mehrmals aufgelöst, es gab – irgendwie musste die Miete ja reinkommen – zwischendurch Reunion-Konzerte, bei denen dann auch mal Brian James mitwirkte, etwa 1988. In den Neunzigern lebte er in Brüssel und spielte mit einer Lokalband. Anfang der Nullerjahre zog er in die Nähe von Bordeaux, „aus Liebe zum Rotwein“, behauptete Captain Sensible. 2022 taten sich The Damned nochmals in Originalbesetzung für einige Konzerte zusammen.

Am Donnerstag starb Brian James, kurz nach seinem 70. Geburtstag. Sein Gitarrenriff für „New Rose“ bleibt unsterblich.

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