Thailands erste Wahl nach dem Putsch: Junta will sich Macht sichern
Die Generäle feiern die Scheinwahl als Rückkehr zur Demokratie. Die Verfassung ermöglicht der Junta, auch bei einer Niederlage weiter zu regieren.
BANGKOK taz | Pauline Ngarmpring schlendert unter der sengenden Sonne zwischen Kunsthandwerk, Massagesalons sowie Garküchen mit gebratenem Tintenfisch und Nudelsuppen über Bangkoks populären Chatuchak Wochenendmarkt und verteilt Wahlwerbung. „Sawasdeekap, ich bin Pauline Ngarmpring und Premierministerkandidatin der Mahachon Partei.“
Dass sie eine Katoi ist, eine transsexuelle Frau, erwähnt sie nicht. „Die meisten kennen mich sowieso schon aus den Medien“, sagt die 54-Jährige lachend, die aus ihrem früheren Leben als Mann Vater von zwei Kindern ist. „Mahachon tritt für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen sowie für die Gleichberechtigung der Geschlechter ein.“
Pauline Ngarmprings Chancen, aus der Wahl am Sonntag als Regierungschefin hervorzugehen, sind gleich null. Aber das von der regierenden Militärjunta erlassene restriktive Wahlrecht verlangt von allen kandidierenden Parteien, vorab drei Premierministerkandidaten zu benennen.
Aus Sicht der Junta ist das ein smarter Zug zur Verhinderung ihr unangenehmer Kandidaten. Das musste kürzlich auch die Thai Raksa Chart (TRC) Partei erfahren.
Kontrolle durch frühzeitige Kandidatenauswahl
Die zum Umfeld des von der konservativen Elite verhassten, aber von vielen geliebten und deshalb vom Militär gestürzten Ex-Premiers Thaksin Shinawatra gehörende TRC hatte die Prinzessin Ubolratana Rajakanya als Premierministerkandidatin nominiert. Umgehend verbot König Maha Vajiralongkorn per Dekret seiner älteren Schwester die Politkarriere.
Später löste das Verfassungsgericht die in Ungnade gefallen Partei dann noch mit sofortiger Wirkung auf. „Das Dekret des Königs wurde benutzt, um die Partei auszuschalten“, kritisiert Winyat Chatmontree von der Vereinigung der Anwälte für Recht und Freiheit.
Brad Adams, Human Rights Watch
Der Premierminister Thailands wird aller Wahrscheinlichkeit nach der Juntachef General Prayut Chan-o-cha bleiben. Dabei hat die Partei der Thaksin-Anhänger, Pheu Thai, gute Aussichten, erneut zur stärksten Kraft zu werden. Gut im Rennen liegt auch die Demokratische Partei.
14 Millionen ErstwählerInnen
Chancen auf Platz drei werden der neuen Future Foward Partei des jungen und charismatischen Milliardärs Thanathorn Juangroongruangkit eingeräumt. Die reformorientierte Partei, die der politischen Macht des Militärs den Kampf angesagt hat, ist vor allem unter jungen Wählern populär, die jetzt mit sieben Millionen Erstwählern immerhin 14 Prozent der gesamten Wählerschaft ausmachen.
Doch drei Tage nach der Wahl beginnt ein Prozess gegen Thanathorn wegen angeblicher Verstöße gegen das Wahlrecht. „Das zeigt die Unsicherheit der Generäle. Die Nerven liegen blank“, findet die von den Herrschenden mit zahllosen Klagen überzogene Demokratieaktivistin Nuttaa Mahattana. Denn die Palang Pracharath Partei von Juntachef Prayut ist nicht besonders populär. „Die Leute sind sauer auf das Militär“, sagt ein westlicher Diplomat.
Die Junta ernennt den gesamten Senat
Den Premierminister wählt aber nicht das Volk, sondern die 500 gewählten Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie die von der Junta ernannten 250 Senatoren. „Das heißt, die vom Militär gestützte Palang Pracharath braucht für eine Mehrheit nur ein Drittel der gewählten Abgeordneten, um ihren Kandidaten als Premierminister zu installieren“, sagt Brad Adams, Asiendirektor von Human Rights Watch (HRW). „Die Generäle veranstalten diese Wahl, um die Herrschaft des Militärs in Anzügen statt in Uniformen fortzusetzen.“
Mit drakonischen Gesetzen unterdrückt die Junta zudem die Presse- und Meinungsfreiheit. Das kurz vor der Wahl noch schnell erlassene Gesetz gegen Cyberkriminalität erlaubt es den Sicherheitsbehörden, auch ohne gerichtliche Anordnung Computer, Smartphones und Tablets bis zu 30 Tage lang zu beschlagnahmen.
Solche Gesetze würden in der Regel zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit genutzt, weiß Yingcheep Atchanont von der Bürgerrechtsorganisation iLaw. „Die Wahl ist nicht frei. Eine offene Diskussion über die vielen Probleme Thailands und die Zukunft des Landes ist unmöglich.“
Wahl als neuer Showdown mit dem Thaksin-Lager
Die Wahl ist einmal mehr ein Showdown zwischen der Elite und den Anhängern des im Exil lebenden Thaksin. Das frustriert vor allem die Jungwähler. „Es geht immer nur um Macht, Posten und Geld“, sagt Nanticha Ocharoenchai, 21, traurig.
Khun Pete würde gerne Future Foward wählen. Wäre da nicht die thailändische Tradition des Respekts vor Älteren. „Meine Familie will das nicht“, sagt der 21-jährige Student acht Tage vor Wahl. „Darauf muss ich Rücksicht nehmen.“
Für Pauline Ngarmprings ist allein schon ihre Kandidatur ein Erfolg, der langfristig für Transsexuelle die Glasdecke durchbrechen könnte. „Vielleicht hat beim nächsten Mal eine transsexuelle Frau eine echte Chance.“
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