Textilindustrie in Bangladesch: Echte Verbesserungen? Fehlanzeige!
Einstürzende Gebäude, brennende Fabriken, Tote, Krüppel, Verletzte: Bangladeschs Texilindustrie ist berüchtigt. Aber nun tut sich was. Tatsächlich?
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KÖLN taz | Kurz vor dem Weihnachtsgeschäft versucht der deutsche Einzelhandel, Bedenken von Verbrauchern gegenüber Kleidern aus Billiglohnländern zu zerstreuen. Man sehe Fortschritte bei den Arbeitsbedingungen für Textilarbeiter in Bangladesch, erklärte Jan Eggert, Hauptgeschäftsführer der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels, bei einem eigens zu diesem Thema anberaumten Pressegespräch. Die Menschenrechtsorganisation medico international widerspricht dem allerdings.
Wegen fehlender Sicherheitsvorkehrungen in den Textilfabriken Bangladeschs kommt es immer wieder zu verheerenden Unfällen. Weltweites Aufsehen erregte der Einsturz eines Fabrikhochhauses im April, bei dem Hunderte von Arbeitern und Arbeiterinnen ums Leben kamen.
„Die breit angelegte Diskussion nach den Unglücksfällen im Frühjahr hat bereits wichtige Impulse gesetzt“, sagte Eggert. Inzwischen sei etliches verbessert worden: „Ein wesentlicher Fortschritt betrifft das Bewusstsein der Verantwortlichen in Bangladesch selbst.“
Hauptsache, in Bangladesch ändert sich das Bewusstsein
Doch Fakten, die das belegen können, kann der Verband nicht vorlegen. Konkret ist nur eines: Die Regierung in Bangladesch hat zugesagt, die Zahl der Inspektoren auf 800 zu erhöhen. Bislang prüfen 21 Kontrolleure die 5.000 Textilfabriken. Bis Dezember sollte ihre Zahl auf 200 steigen, tatsächlich werden aber nur 20 Inspektoren zusätzlich tätig.
Der europäische Einzelhandel hat vor zehn Jahren die Business Social Compliance Initiative (BSCI) ins Leben gerufen, deren Kontrolleure Prüfungen – sogenannte Audits – in Unternehmen vornehmen, unter anderem in Bangladesch. Sie bewerten Kriterien wie Sicherheit, Entlohnung oder Arbeitszeiten. „Die Ergebnisse der Audits haben sich verbessert“, sagte Lorenz Berzau, Managing Director der BSCI. Was genau sich verbessert haben soll, konnte er aber nicht sagen.
Kontrolliert wird nur noch Anmeldung
Es könne keine Rede davon sein, dass die Arbeitsbedingungen in Bangladesch sicherer geworden seien, meint Thomas Seibert von medico international. „In der Regel geht es dort weiter wie vorher auch.“ Die Unternehmen täten nichts, die Sicherheit der Beschäftigten zu erhöhen. Das Problem der Audits sei, dass die Kontrolleure sich vorher ankündigten. So könnten sich die Fabrikbesitzer darauf einstellen. Erst ab 2014 will die BSCI auch ohne Vorwarnung vorbeikommen.
Doch auch das löst das Grundproblem nicht. „Die deutschen Auftraggeber lassen bei den jeweils günstigsten Unternehmen produzieren“, sagte Seifert. Der Preisdruck führe zu schlechten Arbeitsbedingungen. „Das ist das Erste, was sich ändern müsste.“ Außerdem müsste die Europäische Union mithilfe von Importbestimmungen Druck auf die Hersteller ausüben, fordert er. „Und zwar auf alle Produktionsländer, damit sich das Problem nicht einfach nur verlagert.“
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