Textil-Mindestlohn in Bangladesch erhöht: Billigmode für 50 Euro monatlich
In Bangladesch steigt der Mindestlohn für NäherInnen. Doch das bringt ihnen wegen hoher Inflation wenig. Die Gewerkschaften sind unzufrieden.
BERLIN taz | In Bangladesch bekommen ArbeiterInnen der Bekleidungsindustrie höhere Gehälter. Seit Sonntag sind die neuen Mindestlöhne für NäherInnen und HelferInnen in Kraft, über die die Unternehmen nicht hinausgehen. Der Lohn für ungelernte HelferInnen stieg um 77 Prozent von rund 28 Euro monatlich auf 50 Euro. Auf höheren Lohnstufen ist die Steigerung niedriger: Gelernte NäherInnen erhalten 65 Prozent mehr, 64 Euro statt 39 Euro monatlich.
Die Erhöhung des Mindestlohns wurde nach dem Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza beschlossen, bei dem mehr als 1.100 Menschen ums Leben kamen. Die Regierung bildete eine Kommission aus GewerkschafterInnen und ArbeitgeberInnen, die sich mehrere Monate um die Erhöhung stritt.
„Wir sind enttäuscht, dass der Anteil des Grundlohns gesunken ist“, sagt Babul Akhter von der Gewerkschaft BGIWF. Die Mindestlöhne in Bangladesch bestehen aus einem Grundlohn und Pauschalen für Miete, Medizin und Essen.
Wichtig ist der Grundlohn, weil an ihm die Überstunden bemessen werden, zu denen ArbeiterInnen regelmäßig verpflichtet werden und wegen ihrer niedrigen Bezahlung auch einfordern. Auch Abfindungen werden daran bemessen. Während im alten Mindestlohn der Anteil des Grundlohns bei 64 Prozent lag, ist er nun auf 56 Prozent abgesunken. Zugleich werden große Teile der Erhöhung durch die zweistellige Inflation im Land abgeschwächt.
Modefirmen könnten Preissteigerung nicht akzeptieren
Die Mindestlohn-Erhöhung 2010 hatte nicht einmal diese ausgeglichen. Seitdem sind die Preise um durchschnittlich 30 Prozent gestiegen. „Wir hätten gern einen höheren Mindestlohn durchgesetzt, aber dazu fehlt uns die Kraft“, sagte Akhter. Gewerkschaftsarbeit ist in Bangladesch durch Gesetze stark eingeschränkt, zudem werden AktivistInnen häufig eingeschüchtert oder entlassen, wenn ihr Engagement bekannt wird.
FabrikbesitzerInnen fürchten dagegen um ihre Konkurrenzfähigkeit. „Die Stückkosten steigen nun um 16 bis 22 Cent, sagt Rubana Huq, Chefin der Mohammadi Unternehmensgruppe, die unter anderen H&M und C&A beliefert und jährlich fast 23 Millionen Euro umsetzt. „Bisher scheint es nicht, als würden unsere Kunden diese Preissteigerung akzeptieren.“ Nun müsse die Produktivität steigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften