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Texte des Nobelpreisträgers Claude SimonIn der Anonymität verrissen

Ein Bewunderer des französischen Autors hat anonym einen Romanauszug von Claude Simon an Verleger geschickt. Die waren wenig begeistert.

„Die Sätze sind endlos“: Claude Simon im Jahr 1981 Foto: imago/ZUMApress

Nicht jeder, der gern Schriftsteller wäre, bringt dafür auch das nötige Schreibtalent mit. Insofern ist es nicht weiter ungewöhnlich, dass insgesamt 12 Verlage einhellig ein unverlangt eingesendetes 50 Seiten langes Skript ablehnten, das der französische Kleingärtner Serge Volle anonym eingesandt hatte.

Nur dass der Text gar nicht von Volle stammt, sondern vom 2005 verstorbenen Schriftsteller Claude Simon. Und der hat 1985 immerhin den Literaturnobelpreis gewonnen. Volle wollte überprüfen, ob die schwergängige Literatur Simons heute noch einen Verleger finden würde. Das 50-Seiten-Exzerpt stammt aus dem 1962 erschienenen Roman „Der Palast“, in dem der Protagonist seine Erinnerungen an den Spanischen Bürgerkrieg schildert.

Die Begeisterung über Simons Roman hielt sich in Frankreichs Verlagshäusern aber offenbar in Grenzen. 19 mal verschickte Volle das Skript. 12 Absagen sammelte er innerhalb von sechs Monaten – die restlichen Verlage antworteten nicht. In den Begründungen wurde der Text zum Teil heftig verrissen. „Die Sätze sind endlos und verlieren den Leser komplett. Der Text lässt keine Geschichte mit gut beschriebenen Figuren zu“, antwortete ein Verleger.

Volle erzählte die Geschichte am Mittwoch dem französischen Radiosender France Inter. In seinem Resümee zum Experiment zitierte er den berühmten französischen Schriftsteller Marcel Proust: „Bevor man anfängt zu schreiben, sollte man berühmt sein.“

Simon ist aber nicht der einzige Künstler, dessen durch Anonymität maskiertes Talent unentdeckt blieb. In einem ähnlichen Experiment spielte der weltberühmte Violinist Joshua Bell 2007 als Straßenmusiker inkognito in der Washingtoner U-Bahn. Mehr als 1000 Passanten ignorierten Bell, der auf einer drei Millionen Dollar teuren Geige spielte, im Vorbeigehen.

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6 Kommentare

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  • Schonn.@@

     

    Aber - um ins 20. zurückzuspringen.

    Ich kenne nix von Claude Simon & Heinrich Böll - geschickt gewählt.

    "Jetzt Böllerts!" MRRs Böll-Verriss -

    Kennt auch kaum noch einer -

    &

    Hält vielmehr - kanonisiert - an 'Weltliteratur' fest.

    &

    Diesem ganzen Gruppe 47-Hype -

    Hat aber nicht nur Harry Rowohlt - frühverdorben durch angloamerikanische Literatur - den Stinkefinger gezeigt. Newahr.

    &

    Neu ist das alles ja sowieso nicht.

    Es besteht doch bereits für die mittelalterliche Literatur Einigkeit - daß Walter von & Co - überkommen sind - weil sie grad zufällig im Papierkorb oben auf lagen.

    &

    Gerd Haffmans zeigt den Wandel des Kanonisierten im feinen Sammelband der Gedichte Wilhelm Buschs in seiner Anmerkung sehr ironisch - indem er die Inhaltsverzeichnisse zweier Literaturgeschichten aus dem

    19. vs 20. Jahrhundert vergleicht - wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Anyway.

    Aber - Nobelpreis 1985 - is schonn 'ne gelungene Vorlage.

     

    So geht das.

  • Alles hat seine Zeit und wer im 21. Jhdt zum ersten Mal einen Roman des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll ohne Vorwarnung oder Einführung gelesen hat, wird das auch nicht für grosse Literatur halten.

    • @Adele Walter:

      Zwischen Böll und Simon ist aber dann doch ein Unterschied... Neulich habe ich die Akazie wieder gelesen, zum zweiten oder dritten Mal. Wenn man einmal drin ist, ist es wie eine Trance und das Lesen wird dann zu einer körperlichen Erfahrung.

      Gott seit Dank hat damals Les Éditions de Minuit mehr Mut bewiesen. Ich möchte sein Werk um nichts in der Welt missen und will mir gar nicht vorstellen, wie viel auf diese Weise verhindert wird.

       

      p.s. Volle wird das Manuskript nicht anonym, sondern unter einem Pseudonym eingesandt haben...

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Adele Walter:

      Sie sagen es. Aber vielleicht ist es doch ein sprechender Hinweis, dass heute kaum ein Mensch Claude Simon kennt

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Interessanter Nebenaspekt: anscheinend prüfen auch noch heute Verlage Eingereichtes nicht mit Software, die auf Plagiate checkt

     

    Werd's also zum Taschengeld aufbessern mal versuchen, vielleicht für den Anfang Herodot, in der Übersetzung aus "The English Patient"

  • Gib mir noch eine Zug aus deiner Zigarette -

    Eh ich gar nen Romanzug hätte.

    Gelunge.Den nehm ich dann auf Lunge

    &

    Freu mich schnell - Wie einst Violinist Joshua Bell.

    Dem immerhin 2007 - U-Bahn - zusah ein kleiner Junge.

    Während an 1000 ihn nicht sahn - & Hett ich ne Fluppe auf dem Zahn.

    &

    Marcel Proust wills euch mal zeigen: „Bevor man anfängt zu schreiben,

    sollte man berühmt sein.“ Jedoch gilt´s niche mal für´s Geigen.

    Ungenent. Wirste nicht erkannt - Guckt kein Schwein.

    Nu. Da fällt mir doch der Jung & F.K. Waechter ein.

    Nu. Wenigstens das - wie fein.

    Damit solls mal mit dem Romanzug - das Bewenden sein.