■ Mit deutschem Sammeleifer auf du und du: Teures Vergnügen
Berlin (taz) — Die Deutschen sind nicht nur Weltmeister im Sammeln und Sortieren von Verpackungsmüll. Sie leisten sich dafür auch das weltweit teuerste Entsorgungssystem. 4,7 Millionen Tonnen grünbepunktete Abfälle schmissen sie im letzten Jahr in gelbe Tonnen oder Säcke, in Glas- und Papiercontainer. Das bedeutet eine Erfassungsquote von 67,7 Prozent, vermeldete gestern stolz der Chef des Dualen Systems Deutschlands (DSD), Wolfram Brück. Die derzeit geltenden Vorgaben zur Erfassung und Sortierung wurden so erreicht. Bei Aluminium und Plastik muß die Gesellschaft allerdings noch zulegen, wenn sie die neuen ab Juli geltenden Quoten einhalten will.
Lohnt sich der Aufwand, der die VerbraucherInnen immerhin vier Milliarden Mark im Jahr kostet? Schon bevor es das DSD gab, wurden über drei Millionen Tonnen Sekundärrohstoffe in bundesdeutschen Haushalten gesammelt. Nicht nur Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch etwa die Hälfte der heutigen Verpackungsmengen wurden so schon vor der Verordnung erfaßt. „Bei 40 Millionen Tonnen Siedlungsabfall, die jedes Jahr in Deutschland auf den Deponien landen, schafft das DSD somit nur eine Entlastung von etwa fünf Prozent“, konstatiert Agnes Bünemann vom Forschungsinstitut Cyclos.
Das Sero-System der DDR, das nicht nur Verpackungen, sondern auch Batterien, Babybadewannen und sogar Küchenabfälle von 17 Millionen Leuten erfaßte, sammelte immerhin 43 Prozent des Haushaltsmülls. 1988 wurde es mit 105 Millionen Ost-Mark direkt subventioniert. „Wer aber heute nach Sero schreit, der schreit nach Planwirtschaft“, meint Rita Eisenblätter, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Umweltbundesamt. Für das bunte Plastikgemisch, das jetzt auf dem Markt sei, sei das Sero- System jedenfalls nicht geeignet. Die Mieten für die 17.000 Annahmestellen und die Lohnkosten wären heute außerdem derart hoch, daß sich das System nicht rechnen könne. Vor allem in einem aber unterscheiden sich DSD und Sero fundamental: In der DDR war das Ziel tatsächlich die Rückgewinnung von Sekundärrohstoffen. In der BRD geht es darum, den Herstellern eine unbeschränkte Neuproduktion zu ermöglichen. Annette Jensen
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