Terrormiliz „Islamischer Staat“: IS soll Jugendliche gefoltert haben
Kämpfer der Terrormiliz IS lassen 93 kurdische Geiseln frei. In der syrischen Stadt Kobani sollen sie Jugendliche monatelang festgehalten und gefoltert haben.
BEIRUT/ISTANBUL/BAGDAD afp/dpa | Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat offenbar 93 von ihr entführte kurdische Geiseln freigelassen. Die Zivilisten aus der seit Wochen belagerten Grenzstadt Kobani seien schon im Februar verschleppt und erst jetzt wieder auf freien Fuß gesetzt worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag mit. Warum sich der IS dazu entschied, sie gehen zu lassen, sei noch offen. Das Schicksal von rund 70 weiteren Geiseln ist demnach weiterhin ungeklärt.
Die insgesamt mehr als 160 kurdischen Zivilisten waren im Februar unter dem Verdacht gefangen genommen worden, sie würden der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) angehören. Deren bewaffneter Arm, die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), verteidigt Kobani seit Wochen gegen die Dschihadisten. Nach der Entführung waren die Geiseln ins nordsyrische Raka verschleppt worden, wo der IS eine seiner Hochburgen hat.
Laut der Beobachtungsstelle, die ihre von unabhängiger Seite schwer überprüfbaren Informationen von einem weit verzweigten Netz aus Informanten in Syrien bezieht, konnten 53 der nun freigelassenen Zivilisten in die Türkei ausreisen. Weitere 40 Ex-Geiseln befänden sich noch in Syrien.
IS soll Jugendliche gefoltert haben
Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben nach Angaben von Human Rights Watch in der umkämpften syrischen Stadt Kobani Jugendliche monatelang festgehalten und gefoltert. Das gab die Menschenrechtsorganisation am Montag (Ortszeit) unter Berufung auf Augenzeugen bekannt. Befragt wurden vier zwischen 14 und 16 Jahre alte Jugendliche. Sie seien zusammen mit etwa 100 anderen vier Monate in der Hand der Kämpfer gewesen.
Etwa 250 junge Kurden wurden demnach Ende Mai auf dem Heimweg von der Schule aufgehalten. Die Mädchen wurden wenig später freigelassen, die Jungen wurden in eine Schule außerhalb der Stadt gebracht. Sie wurden laut den Zeugenaussagen wiederholt mit Kabeln geschlagen und wurden gezwungen, Videos von Köpfungen und Angriffen von IS-Kämpfern anschauen. Einigen Schülern sei die Flucht gelungen, der Rest sei in Etappen bis Ende Oktober freigelassen worden, hieß es weiter. Wegen der Kämpfe in Kobani seien sie in die Türkei unterwegs, hieß es unter Berufung auf die kurdische Verwaltung der Stadt.
Trotz der Angst vor möglichen Terrorangriffen gedenken Schiiten aus aller Welt an diesem Dienstag insbesondere an der Grabmoschee in Kerbela ihres Märtyrers Imam Hussein, eines Enkels des Propheten Mohammed. Bereits in den vergangenen Jahren nahmen sunnitische Fanatiker dies zum Anlass, Anschläge zu verüben. Hussein starb 680 nahe der zentralirakischen Stadt in einer Schlacht, die die Spaltung der Muslime in Schiiten und Sunniten endgültig besiegelte.
Sicherheitsmaßnahmen massiv erhöht
Aus Furcht vor einer neuen Anschlagswelle sunnitischer Extremisten am wichtigsten Feiertag der Schiiten hat der Irak die Sicherheitsmaßnahmen massiv erhöht. Mehr als 33.000 Sicherheitskräfte sollen die Millionen Pilger schützen, die zum Aschura-Fest in Kerbela südlich von Bagdad erwartet werden.
Nach Informationen der New York Times planen Iraks Sicherheitskräfte gemeinsam mit dem von den USA angeführten Bündnis für das Frühjahr 2015 eine Großoffensive. Bis Ende des nächsten Jahres soll die Terrormiliz demnach aus den von ihr eroberten Städten im Norden und Westen des Landes vertrieben werden.
Wichtige Straßen und Grenzübergänge sollten dann wieder unter Kontrolle der irakischen Regierung sein. Unklar bleibt dem Bericht zufolge das Vorgehen gegen die Terrormiliz in Syrien und ob die gemäßigte syrische Opposition bis dahin militärisch ausreichend ausgebildet sein wird, um sich den Dschihadisten ebenfalls effektiv entgegenzustellen.
In der Kobani melden kurdische Aktivisten nach Ankunft erster Peschmerga-Soldaten aus dem Nordirak unterdessen Fortschritte im Kampf gegen die Extremisten. Idriss Nassan, ein Sprecher der kurdischen Verteidiger Kobanis, sagte der dpa, dass die Lage der Kurden deutlich besser geworden sei. Die Kämpfer versuchten nun, die Versorgungswege der Dschihadisten in der Ortschaft nahe der Grenze zur Türkei zu kappen.
Die im syrischen Bürgerkrieg erstarkte IS beherrscht große Gebiete im Norden und Osten Syriens sowie im Norden und Westen des Iraks – unter anderem die irakische Millionenstadt Mossul. Während insbesondere die irakische Armee, schiitische Milizen und kurdische Kämpfer gegen den IS am Boden vorgehen, fliegt das US-geführte Bündnis täglich Luftangriffe.
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