Terror: Selbstmordattentäter in Deutschland?

Bundesregierung geht von einer erhöhten Gefahr von Anschlägen durch islamistische Extremisten aus. Grund sei das Engagement der Bundeswehr in Afghanistan. Konkrete Hinweise bleibt sie schuldig

Allzeit bereit. Bild: ap

BERLIN taz Der Bundesregierung zufolge rückt Deutschland zunehmend in das Fadenkreuz islamistischer Terrororganisationen. Als Folge des Engagements der Bundeswehr in Afghanistan sieht das Innenministerium in Berlin eine erhöhte Terrorgefahr für die Bundesrepublik durch Selbstmordattentäter.

"Es gibt eine Verbindung in den afghanisch- pakistanischen Raum und wieder zurück", erklärte der Sprecher des Innenministeriums am Freitag in Berlin. Die Hinweise verdichteten sich nach seinen Angaben zu einem Mosaikbild, das an die Lage im Frühsommer 2001 vor den Anschlägen des 11. September erinnere. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg schränkte aber auf der gleichen Pressekonferenz ein: "Aus den Hinweisen müssen wir schließen, dass es eine erhöhte abstrakte Gefährdung gibt". Es gebe aber keine Anhaltspunkte für eine konkrete Bedrohung, so Steg.

Die Warnung vor möglichen Terroranschlägen geht offenbar auf ein Gespräch zurück, das Innenstaatssekrertär August Hanning zuvor mit einigen Journalisten geführt hatte. Die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung zitiert Hanning, der sonst eher die leisen Töne bevorzugt, mit den Worten: "Wir sind alarmiert".

Der Hintergrung der Warnung wurde am Freitag in verschiedenen Meiden und online-Diensten in etwa folgendermaßen kolportiert: Nach Erkenntnissen der Geheimdienste sollen in jüngster Zeit mindestens zehn Deutsche in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiert gereist sein, um sich dort in Ausbildungslagern von Islamiste trainieren zu lassen. Drei deutsche Verdächtige sind von pakistanischen Behörden in den vergangenen Tagen festgenommen worden: Zwei von ihnen sind der deutschen Polizei als sogenannte "Gefährder" bekannt. Die pakistanischen Behörden nehmen an, dass die Festgenommenen aus Trainingscamps von Terror-Gruppen kamen - beziehungsweise dorthin wollten. Auffallend soll vor allem die Ausstattung der Gruppe gewesen sein: In ihrem Gepäck seien Satelliten-Telefone und Funkgeräte gefunden worden.

"Wir sind voll ins Zielspektrum des islamistischen Terrors gerückt", zitiert die SZ Staatssekretär August Hanning weiter. "Wir erleben eine neue Qualität der Gefahr: Deutschland wird mit Selbstmordattentätern gedroht."

Hanning soll sich bei seinen Aussagen auf ein Video bezogen haben, das am 9. Juni aufgenommen und dem US-Sender ABC zugespielt wurde. Es zeigt Mansur Dadullah, den Bruder des erst vor kurzem getöteten Taliban-Militärchefs, der ein ganzes Trainingslager voller kampfbereiter junger Männer in Afghanistan besucht.

Die Männer sagen in dem Video, sie wollten sich als Selbstmordattentäter opfern und seien auf dem Weg nach Kanada, Großbritannien und Deutschland. Deutschland wird ausdrücklich erwähnt.

Diverse Szenarien werden bei den Sicherheitsbehörden durch gespielt, eines davon bezieht sich auf Madrid im Jahr 2004. Damals standen in Spanien Parlamentswahlen an, die gleichzeitig ein Referendum über die Teilnahme Spaniens am Irak-Krieg waren. Die Attetate auf die Nahverkehrszüge in Madrid, bei dem fast 200 Menschen starben, hatten großen Einfluss auf das Wahlergebnis. Wider Erwarten gewannen die Sozialisten, die neue Regierung zog anschließend die spanischen Truppen aus dem Irak ab. Ähnliches könnte den Sicherheitsbehörden zufolge nun in Deutschland passieren, wo im Oktober der Bundestag über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr entscheiden soll. Einziger Schönheitsfehler an dem Szenario: Spaniens Konservativen verloren die Wahlen, weil sie wider besseren Wissens versuchten, die Attentate den Separatisten von der baskischen ETA in die Schuhe zu schieben - eine Version, die sich wenige Tage vor der Wahl als falsch entpuppte.

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