Terror in der Türkei: Anschläge und „Säuberungen“
Zehntausende sind von den „Säuberungen“ in der Türkei betroffen. Derweil wurden bei Anschlägen mehrere Menschen getötet und über zweihundert verletzt.
In der südosttürkischen Stadt Elazig richtete sich der Anschlag gegen das Polizeipräsidium. Bei der gewaltigen Explosion starben dort am Donnerstagmorgen nach Angaben des Provinzgouverneurs Murat Zorluoglu drei Polizisten, fast 150 weitere seien verletzt worden, darunter auch Zivilisten. Ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug detonierte auf einem Parkplatz vor dem vierstöckigen Gebäude und richtete schwere Verwüstungen an. Fernsehbilder zeigten eine graue und schwarze Rauchsäule über der Stadt.
Bereits in der Nacht zum Donnerstag war eine ferngezündete Autobombe vor einer Polizeibehörde in der Provinz Van in der Nähe der Grenze zum Iran explodiert. Bei diesem Anschlag wurden ein Polizist und zwei Zivilisten getötet, etwa 75 weitere Menschen wurden verletzt, darunter 20 Polizisten. Auch für diesen Anschlag machten die Behörden die PKK verantwortlich. Diese äußerte sich zunächst nicht dazu.
In der Südosttürkei verübt die PKK immer wieder Anschläge vor allem auf Sicherheitskräfte. Ein mehr als zwei Jahre andauernder Waffenstillstand war im Sommer vergangenen Jahres gescheitert. Seither ging die türkische Armee massiv gegen Kämpfer der PKK vor, die sich in Städten verschanzt hatten. Die PKK gilt in der Türkei, Europa und den USA als Terrororganisation.
Der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik gab sich nach den Anschlägen am Donnerstag zuversichtlich, dass die Türkei die PKK bezwingen werde. Die Türkei sei nach der Niederschlagung des Putschversuchs vom 15. Juli stärker geworden, sagte er in einem Interview der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.
Über 40.000 Festnahmen
Von der vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach dem Putschversuch im Juli angekündigten „Säuberungswelle“ sind bislang Zehntausende Menschen betroffen. 79.900 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes hätten ihre Jobs verloren, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim am späten Mittwochabend in einer im Fernsehen übertragenen Rede.
40.029 Menschen seien festgenommen worden, gegen 20.355 von ihnen sei Haftbefehl ergangen. Zudem wurden 4.262 Firmen und Einrichtungen geschlossen, weil sie mit dem Prediger Fethullah Gülen zusammengearbeitet haben sollen.
Die Regierung in Ankara hält den seit 1999 im selbst gewählten Exil in den USA lebenden Gülen für den Drahtzieher des Putschversuchs am 15. Juli. Gülen hat den Umsturzversuch von Teilen des Militärs verurteilt und bestreitet eine Verwicklung darin. Die Gülen-Organisation versteht sich als vom Islam inspirierte soziale Bürgerbewegung.
Schulen, Unis, Unternehmen
Die von Erdogan durchgesetzten „Säuberungen“ richten sich gegen Gülen-Anhänger in Polizei, Militär, Justiz, Verwaltung, Bildungswesen und Medien. Mehr als 130 Zeitungen und andere Medien wurden ebenso geschlossen wie Schulen und Universitäten. Zuletzt nahm die Regierung auch Unternehmen ins Visier.
Am Donnerstag gab es allein in Istanbul Razzien an mehr als 100 Orten. Die Aktionen würden von der Abteilung Wirtschaftskriminalität der Polizei geleitet und richteten sich gegen Anhänger der Gülen-Bewegung, meldete die Nachrichtenagentur Dogan. Außerdem seien zehn führende Mitglieder einer militanten linken Gruppierung festgenommen worden, die Anschläge in der Türkei verübt haben sollen.
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