Terror in West-Kasachstan: Schuldig trotz fehlender Beweise
Kasachstans Regierung macht muslimische Extremisten für Anschläge verantwortlich. Diese könnten aber auch Ausdruck wachsender Unzufriedenheit im Land sein.
Am vergangenen Wochenende hatten rund 30 bewaffnete Personen in der westkasachischen Stadt Aktobe zwei Waffengeschäfte und eine Kaserne angegriffen. Bei Letzterer hatten die Angreifer das Tor mit einem Bus durchbrochen.
Für das autoritäre Regime des seit 1989 regierenden Staatschefs Nursultan Nasarbajew waren die Schuldigen, von denen 13 getötet wurden, vier in Gewahrsam und acht noch flüchtig sind, schnell verortet. Alle seien Anhänger von „radikalen und nichttraditionellen religiösen Bewegungen“, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. Mit dieser Floskel werden in Kasachstan normalerweise muslimische Extremisten tituliert.
Sollte sich die offizielle Einschätzung der Behörden, für die es bislang keine Beweise gibt, als richtig erweisen, wären die Anschläge in Aktobe nicht der erste Vorfall dieser Art in dem mehrheitlich von Muslimen bewohnten Staat in Zentralasien.
Erster Selbstmordanschlag 2011
Bereits im Jahr 2011 sprengte sich, ebenfalls in Aktobe, der 25-jährige Rahimjan Machkatow in die Luft. Bei dem Selbstmordanschlag wurden zwei weitere Menschen verletzt. Als Folge dieses Anschlags verstärkte die Regierung die Kontrolle islamischer Gruppierungen. Kasachische Medien berichteten von Salafisten, die vor allem im Westen Kasachstans aktiv seien.
Einigen Beobachter bezweifeln, dass die jüngsten Anschlägen in Aktobe auf das Konto muslimischer Extremisten gehen. „Kasachstan bekämpft aktiv den sogenannten religiösen Extremismus. Aber über diese Fälle berichten die Medien nicht und sie werden auch nicht von Menschenrechtsaktivisten untersucht. Manchmal wird eine Gruppe von Personen festgenommen, weil sie ein Geschäft ausgeraubt hat und dann angeklagt, den Terrorismus finanziert zu haben“, sagt Maria Janowskaja, Spezialistin für Zentralasien, gegenüber dem Sender Al Jazeera.
Die Attentate könnten vielmehr auch Ausdruck einer wachsenden Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen sein. Denn die Auswirkungen sinkender Preise für Öl sind vor allem im Westen des Landes, wo sich wichtige Quellen befinden, spürbar.
Vor wenigen Wochen waren in Aktobe, wie auch in anderen Städten, schon einmal Tausende gegen die Regierung auf die Straße gegangen. Die in Kasachstan eher ungewöhnlichen Unmutsbekundungen richteten sich gegen ein neues Gesetz. Dieses sieht die Möglichkeit des Verkaufs von Land an Ausländer vor und soll zum 1. Juli in Kraft treten.
Die Kasachen befürchten vor allem einen wachsende Einfluss Chinas Während der Proteste wurden Dutzende Demonstranten festgenommen. Ihnen droht jetzt eine Anklage wegen versuchten Staatsumsturzes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance