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Terror in SyrienSelbstmordanschlag auf Kirche

In der syrischen Hauptstadt Damaskus wurden 25 Gläubige getötet, als sich mindestens ein Attentäter während einer Messe in die Luft sprengte.

Syrische Christen protestieren mit Kerzen vor einer Kirche in Zentralsyrien gegen den Selbstmordanschlag in Damaskus Foto: Moawia Atrash/dpa

Beirut taz | Als sich am Sonntagabend Gläubige zur Messe in der griechisch-orthodoxen Mar-Elias-Kirche in Damaskus’ ärmerem und christlich geprägtem Stadtteil Duweila versammelten, fielen Schüsse. Dann folgte eine Explosion. Mindestens 25 Menschen wurden getötet, 59 verletzt, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Gesundheitsministerium.

Videos des syrischen Zivilschutzes, der Weißhelme, zeigen zerbrochene Gebetsbänke, Ikonen, Scherben, Blut und Asche auf dem Boden. Am Eingang der Kirche klafft ein kleiner tiefer Krater im Beton. Einsatzteams des Zivilschutzes bargen Leichen und brachten Verwundete ins Krankenhaus.

Augenzeugen berichteten, zwei Männer hätten geschossen, bevor sich mindestens einer von ihnen mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft gesprengt habe. Ein Priester, der an der Messe teilnahm, sagte gegenüber der emiratischen Zeitung The National, er habe zuerst Schüsse außerhalb des Gotteshauses gehört.

„Nachdem die Schüsse draußen aufgehört hatten, hörten wir zwei Minuten später Schüsse im Inneren. Dann betraten zwei Personen die Kirche mit Sprengstoffwesten an der Brust und sprengten sich in die Luft,“ so der Priester. Augenzeugen berichteten lokalen Reportern, die Täter hätten kein Arabisch gesprochen.

Innenministerium macht Terrormiliz IS verantwortlich

Syriens Innenministerium spricht von einem Selbstmord­attentäter und macht die Terrormiliz Daesh, bekannt als sogenannter Islamischer Staat (IS), für die Tat verantwortlich. Das Außenministerium spricht von einem Versuch, das Zusammenleben verschiedener Religionen zu untergraben und das Land zu destabilisieren. Bisher bekannte sich niemand zur Tat.

Innenminister Anas Khattab sprach den Opfern des Terroranschlags sein Beileid aus und sagte, die Regierung verpflichte sich, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Syriens Übergangsregierung betont immer wieder, Minderheiten schützen zu wollen. Übergangspräsident Ahmad al-Scharaa hatte das Milizenbündnis Hayat Tahrir al Scham (HTS) geführt, das im Dezember den Langzeitherrscher Baschar al-Assad gestürzt hatte. Ende Januar hatte HTS seine Auflösung in den syrischen Staat beschlossen.

Seit der Machtübernahme gibt sich al-Scharaa gemäßigt. Doch bewaffnete Konflikte schwelen weiter zwischen Gruppen mit verschiedenen politischen und ethnisch-religiösen Hintergründen sowie externen Akteuren.

Anfang März wurden mehr als 1.500 Zi­vi­lis­t*in­nen, meist Alawit*innen, bei Massakern an der Westküste getötet. Wer sie getötet hat, wird noch untersucht, aber klar ist: Die Regierung hat die Massaker nicht verhindert. Ende April zeigten bewaffnete Kämpfe zwischen regierungstreuen sunnitischen und drusischen Schützen im Süden von Damaskus die konfessionellen Spannungen.

Warnungen vor Aktivitäten des IS

Die fragile Lage sowie die Angst von Minderheiten macht es dem IS einfach, Menschen zu rekrutieren. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte schrieb am Sonntag, sie habe bereits vor IS-Zellen gewarnt. Der IS habe seit Assads Sturz versucht, Anschläge auf Kirchen zu verüben, sei jedoch bisher gescheitert, erklärte eine Sicherheitsquelle gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der IS griff zuletzt auch syrische Regierungstruppen an.

Der Anschlag in der Kirche ist der erste dieser Art seit Assads Sturz. 400 Anschläge hat der IS in Syrien mutmaßlich im vorigen Jahr begangen, schätzt ein Ausschuss der UN, der die Aktivitäten des IS überwacht. Die Anschläge richteten sich gegen verschiedene religiöse Gruppen.

Einen der größten Bombenanschläge verübte der IS auf schiitische Pil­ge­r*in­nen in Sayeda Zainab im Jahr 2016, während Assads Herrschaft. Im Februar vereitelte die Regierung in Damaskus nach eigenen Angaben einen erneuten IS-Anschlag auf den schiitischen Schrein in Damaskus.

UN-Sondergesandter fordert umfassende Untersuchung

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, forderte eine umfassende Untersuchung und entsprechende Maßnahmen der Behörden. Er rief dazu auf, Terrorismus, Extremismus, Aufwiegelung und Angriffe auf jede Gemeinschaft in Syrien gemeinsam abzulehnen.

Der orthodoxe Patriarch von Damaskus forderte die Regierung zum Schutz aller Bür­ge­r*in­nen auf. Sie müsse die „volle Verantwortung“ für die Geschehnisse übernehmen, erklärte das orthodoxe Kirchenamt am Sonntag auf Facebook.

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1 Kommentar

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  • Ich bin erstaunt ausgerechnet in der taz etwas über das Leid der Christen in der Welt zu lesen.