Terror in Nigeria: Boko Haram weitet den Krieg aus
Mit Überfällen tief im Landesinneren sowie im Tschad reagieren die Islamisten auf die angekündigte Großoffensive gegen sie.
BERLIN/ABUJA taz | Noch nie haben Bodentruppen der islamistischen Rebellenarmee Boko Haram so tief im Landesinneren zugeschlagen. Die Stadt Gombe, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Nordosten des Landes, war am Samstag Schauplatz schwerer Gefechte. Boko Haram überrannte Berichten zufolge am frühen Samstagmorgen eine Militärbasis am Stadtrand und zündete eine Polizeikaserne an. Augenzeugen berichteten von stundenlangen Explosionen.
„Die ganze Stadt ist in Panik“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen fliehenden Bewohner. Lokalen Berichten zufolge hinterließ Boko Haram Flugblätter, auf denen zum Wahlboykott aufgerufen wurde. Die Islamisten überfielen auch eine Zementfabrik, wo sie Sprengstoff gestohlen haben sollen. Nach Gegenangriffen des Militärs zogen sie wieder ab.
Gombe gehört nicht zu den drei Bundesstaaten, in denen der Ausnahmezustand gilt und wo Nigerias Armee angekündigt hatte, ab dem 14. Februar eine sechswöchige Großoffensive gegen Boko Haram zu führen. Deswegen hatte Nigerias Wahlkommission INEC die für den 14. Februar angesetzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen um sechs Wochen auf den 28. März verschoben.
Die Zeitung Premium Times berichtete am Samstag, die Großoffensive ziele auf die Rückeroberung von 14 Städten unter Kontrolle Boko Harams. Erstes Ziel sei der Ort Monguno mit einer wichtigen Militärbasis im Norden des Bundesstaates Borno, den Boko Haram vor drei Wochen erobert hatte.
Bewaffnete auf Booten
Als Reaktion auf diese Großoffensive hat Boko Haram seinen Krieg ausgeweitet. In den letzten Tagen hat es Selbstmordanschläge in den Städten Damaturu und Biu gegeben; der Angriff auf Gombe folgt außerdem auf eine Reihe von Angriffen im nördlichen Nachbarstaat Niger.
Zum ersten Mal überfiel Boko Haram außerdem einen Ort im Tschad, dessen Armee mit mehreren Tausend Mann in Nigeria und Kamerun gegen die Islamisten kämpft. Aus Nigeria kommende Bewaffnete auf Booten landeten unter dem Schutz der Nacht am Freitag gegen drei Uhr morgens im Dorf Ngouboua am Tschadsee und töteten mindestens zehn Menschen. Große Teile des Ortes wurden niedergebrannt. Wenige Kilometer außerhalb von Ngouboua befindet sich ein Lager mit rund 7.000 Flüchtlingen aus dem nigerianischen Ort Baga, den Boko Haram Anfang Januar erobert hatte.
Unterdessen geht der Nervenkrieg zwischen Nigerias Regierungspartei PDP (People’s Democratic Party) und der Wahlkommission INEC weiter. Nachdem die PDP behauptet hatte, ihre Wählerschaft werde bei der Vergabe der neuen biometrischen Wahlkarten benachteiligt, warf der Parteivorsitzende Ahmadu Adamu Mu’azu INEC jetzt eine mögliche Manipulation der Stimmauswertung vor. Das neue elektronische Auszählungssystem EMT müsse erst noch getestet werden, sagte Mu’azu. INEC-Chef Jega habe durch seine schleppende Ausgabe von Wahlkarten bereits „23 Millionen Nigerianer um ihr Wahlrecht beraubt“ und plane jetzt, Nigerias Wähler als „Versuchskaninchen“ zu missbrauchen. „Wir sagen, er ist nicht auf die Wahlen vorbereitet.“
Die Vorwürfe reihen sich ein in eine Serie von Äußerungen, die den Verdacht nähren, dass die PDP eine mögliche Wahlniederlage nicht akezptieren würde. INEC wiederum warnte Wähler davor, die neuen biometrischen Wahlkarten käuflich zu erwerben: Wer eine andere Wahlkarte als seine eigene benutze, werde disqualifiziert, sagte Habu Zarma, Leiter der Wahlkommission im Bundesstaat Yobe. Als ein Problem nannte er den Umstand, dass viele Menschen vor Boko Haram auf der Flucht seien und daher andere beauftragt hätten, ihre Wahlkarten abzuholen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!