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Terror-Alarm am Flughafen Berlin-TegelWer entführen will, soll schweigen

Eine Passagierin meldet eine drohende Flugzeugentführung. Die Maschine wird angehalten, zwei Männer stundenlang verhört. Dann stellt sich alles als Missverständnis heraus.

Drama am Flughafen Tegel Bild: Thomas Peter/Reuters

Ein Fachgespräch unter zwei Piloten reichte am Mittwoch aus, um auf dem Flughafen Tegel Alarm wegen einer vermeintlich geplanten Flugzeugentführung auszulösen. In der Abfertigungsschlange eines Air Berlin-Flugs nach Moskau wurde eine Passagierin Ohrenzeugin eines Gesprächs zweier Männer, die sich auf russisch über eine mögliche Entführung des Flugzeugs unterhielten. Sie informierte die Bundespolizei am Flughafen. Daraufhin nahmen Beamte den 49-Jährigen und den 26-Jährigen fest, Spezialisten des Landeskriminalamts räumten und durchsuchten das Flugzeug. Die Männer entpuppten sich schließlich als Piloten der russischen Fluglinie Orenair, die auf dem Rückweg von einem Sicherheitstraining in Schönefeld waren.

Die Zeugin hatte das Gespräch offenbar als Entführungsabsicht missinterpretiert. Die Berliner Polizei hat sich mittlerweile bei den Piloten entschuldigt. Diese hätten weder einen schlechten Witz gemacht, noch seien sie betrunken gewesen, betonte die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti am Donnerstag in einer Stellungnahme.

Polizeisprecher Frank Millert bezeichnete am Donnerstag das Vorgehen aller Beteiligten als richtig. "Aus dem, was die Frau gehört hatte, konnte schon der Eindruck gewonnen werden, dass die beiden das Flugzeug entführen wollen", so Millert. Die Frau habe richtig gehandelt, als sie die Polizei informierte. "Man muss ihr dafür danken - es hätte ja auch anders sein können."

Eine Sprecherin von Air Berlin erklärte am Donnerstag, die Informationskette habe funktioniert. "An diesem Fall sieht man, dass Sicherheit vorgeht". Für die restlichen 132 Passagiere des Moskauflugs startete eine Ersatzmaschine mit erheblicher Verspätung am Abend, für die Zeugin und die Verdächtigen verzögerte sich die Reise um einen Tag.

Nach der Vernehmung durch die Bundespolizei übernahm der Staatsschutz der Berliner Polizei die Ermittlungen. Elf Stunden später, gegen Mitternacht, wurden die Piloten freigelassen. Beide Männer waren im Besitz gültiger Pilotenausweise und hatten nachweislich an dem Sicherheitstraining teilgenommen. "Elf Stunden, das ist nicht lange", erklärte ein Polizeisprecher mit Hinweis darauf, dass in dieser Zeit die Zeugin und die Beschuldigten vernommen sowie Flugzeug und Gepäck einer umfangreichen kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen werden mussten.

Auch Eberhard Schönberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), verteidigte das Vorgehen. "Solchen Verdachtsmomenten muss man nachgehen". Ein Fall dieser Art lasse sich nicht in zehn Minuten aufklären.

Johannes Honecker vom Republikanischen Anwaltsverein RAV kritisiert dagegen ein um sich greifendes Klima der Angst. Eine "Verpolizeilichung des Denkens" habe die Menschen erfasst. Getrieben von der Angst vor potenziellen Anschlägen werde jeder alleinstehende Koffer zu einer Bedrohung, die der Polizei umgehend gemeldet werde. "Das ist eine ganz unangenehme Entwicklung", erklärte Honecker. Verantwortlich macht er dafür Polizei, Politik, Publizistik und private Sicherheitsunternehmen.

GdP-Chef Schönberg begrüßt dagegen die zunehmende Sensibilisierung. Man scherze nicht über eine Flugzeugentführung oder ein Messer im Schuh - schon gar nicht auf einem Flughafen. "Wer das tut, fliegt nicht. Zumindest nicht mit dem nächsten Flugzeug".

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10 Kommentare

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  • T
    Thomas

    Wohl kaum ein Leser war auf dem Flughafen dabei, versteht auch noch Russisch und weiß tatsächlich, ob nun Vernunft oder Hysterie die Mithörerin am Flughafen angetrieben haben.

    Richtig ist aber auch, dass jede vergessene Sporttasche auf dem U-Bahnhof morgens um kurz vor Schulbeginn zur Panik führt. Sogar ein halb angefressener Döner, gut als solcher erkennbar in Alufolie gewickelt und in einer leicht durchsichtigen weißen typischen Dönerverkäufertüte steckend führt am Hauptbahnhof zum Einsatz des Bombenräumkommandos. - Ich habe es selbst durchs Teleobjektiv vor Ort beobachten können.

    Wenn uns die, die dadurch ihre Arbeitsplätze gesichert wissen erzählen, dass hinter jedem Busch ein böser Terrorist steckt, möchte ich mich anschließen: Vernunft ist gut, Panik und Hysterie sichert aber deren Arbeitsplätze. Zu dem Preis, dass es den Opferhilfeeinrichtungen z. B. für häusliche Gewald weiterhin weggenommen wird?

  • G
    grafinger

    Oh, klar, für den Johannes Honecker und seinen Verein soll natürlich zuerst ein Anschlag verübt werden bevor jemand tätig werden darf. Und dann erst kommt der Johannes mit seinem RAV und jammert, wieso immer erst etwas passieren muss damit etwas getan wird.

    Hauptsache, man ist immer gegen alles was von "denen da oben" kommt. Dann kann man auch hinterher immer alles besser wissen, gell Johannes.

    Aber Du hast ja Recht, Johannes, erst einmal muss der Regionalzug gesprengt, der Ausländer erschlagen und das Haus angezündet sein bevor die Herren Anwälte tätig werden (und natürlich verdienen) können.

    Zivilcourage ist und bleibt der Feind des Anwalts. Das gilt ntürlich auch für die Damen und Herren des RAV.

  • G
    guapito

    Wieder aufkommendes Denunziantentum ist für die Leute welche die "Macht" in diesem Land haben sehr nützlich. Wenn jeder jeden bespitzelt ist die totale Kontrolle viel leichter und vor allem kostengünstiger umzusetzen. Das ein Interesse daran besteht liegt auf der Hand. Warum wird sonst soviel Angst geschürt?

  • S
    Svenne

    "Man scherze nicht über eine Flugzeugentführung oder ein Messer im Schuh - schon gar nicht auf einem Flughafen."

     

    Genau, zu mindest sollte man sich seine "witzigen" Bemerkungen zuvor von der Polizei Gewerkschaft genehmigen lassen.

    Aber, natürlich ist es immer besser überhaupt keine Witze zu machen, es könnte immer, falsch Interpretiert werden.

    Wenn man es aber gar nicht lassen kann, sollte man sich vor dem Aussprechen der Witzigkeit - die gar keine ist, gut umschauen - nicht dass jemand in Hörweite steht der dann falsch interpretiert.

    Zum Glück gibt es ja da im Osten der Republik, genug arbeitslose Fachleute, die Wissen noch, wie man sich heimlich Witzigkeiten austauscht.

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Vielleicht wollten unsere Sicherheitsbehörden mal ein authentisches Gespräch mit ein paar Piloten aus dem ehemaligen Ostblock führen - wegen des Smolensk Absturzes.

  • T
    taz

    @candice novak: Danke für den Hinweis, ist korrigiert!

  • FN
    Felix Nagel

    11 Stunden um festzustellen das es sich um echte Piloten handelt und die Frau zu viel TV schaut. Wow, Spitzenleistung, ehrlich...

  • CN
    candice novak

    "Eine Passsagierin meldet " mit drei S?

  • W
    woz

    Flugzeugentführer besprechen ihren Pläne grundsätzlich erst 5 Minuten vor dem Einstieg in aller Öffentlichkeit. Deshalb haben alle alles richtig gemacht. Vernunft ist gut, Panik und Hysterie sind besser.

  • S
    sopran

    Was ist denn das für eine unmögliche Überschrift:

    "Wer entführen will, soll schweigen"

    Was hat sich der Verfasser dabei gedacht?

    Zum Inhalt des Artikels möchte ich sagen, das die Frau richtig gehandelt hat. Leider ist es inzwischen so, das man lieber einmal zu viel als einmal zu wenig die Polizei informieren sollte.