Territorialwahl in Korsika: Die „Nationalisten“ haben klar gesiegt
Die Autonomisten und Separatisten werden im Parlament in Korsika die Mehrheit stellen. Kommt jetzt eine Abspaltung à la Katalonien?
Seine Wahl zum Vorsitzenden der aus der Fusion der bisherigen zwei Departements (Nord- und Südkorsika) hervorgegangenen Territorialversammlung ist nun ungefährdet, denn seine Liste dürfte am kommenden Sonntag problemlos eine Mehrheit der insgesamt 63 Sitze erringen. Und schon gibt es Spekulationen, wonach Korsika demnächst wie Katalonien die Selbstbestimmung verlangen könne.
Schon bei den letzten Kommunalwahlen 2014 und danach bei den letzten Regionalwahlen 2015 hatten die korsischen „Nationalisten“, wie die Autonomisten und Separatisten politisch etikettiert werden, kräftig zugelegt. Das Resultat der jetzigen Wahl ist aber laut Simeoni „einzigartig in der Geschichte Korsikas“.
Bezeichnenderweise kommt zum Spitzenreiter „Pè a Corsica“ auch noch eine rechte regionalistische Liste (A strada di l’avvene) mit 14,97 Prozent und eine radikalere Separatistengruppe (Core in Fronte) mit 6,69 Prozent. Weder den Konservativen von Les Républicains (12,77 Prozent) noch der Liste der Macron-Partei En marche (11,26 Prozent) ist es gelungen, dieser Dynamik etwas entgegenzusetzen.
Linke und Front National vollkommen bedeutungslos
Die politische Linke schließlich ist mit 5,68 Prozent fast ganz vom Schirm verschwunden. Nur der rechtsextreme Front National, der auf Korsika von antimuslimischen Ressentiments profitieren wollte, hat mit 3,28 Prozent noch schlechter abgeschnitten. Alle der geschlagenen Gegner der Autonomisten haben als Ausrede, dass die selbst für Korsika niedrige Wahlbeteiligung von lediglich 52,17 Prozent das „historische“ Ergebnis vom Sonntag relativiere.
Der Korsika-Spezialist André Fazi meint dazu, die Nationalisten hätten dank ihres Lokalkolorits mit Erfolg „rechts, links und selbst beim FN“ Stimmen dazugewinnen können. Das Image der korsischen Nationalisten hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, was zu einem großen Teil ihren Triumph erklärt. Hatte man sich darunter noch unlängst einen bewaffneten und vermummten Guerillero mit der Flagge der FLNC-Untergrundbewegung vorgestellt, verkörpert Simeoni heute einen ganz anderen Stil und eine neue Generation.
Mit dem auf Napoleons Heimatinsel üblichen Stolz wird der 50-jährige Bürgermeister von Bastia von manchen Fans sogar als „Obama von Korsika“ gefeiert. Ihm ist es jedenfalls gelungen, die vom Anwalt Jean-Guy Talamoni angeführten Separatisten, die das Erbe der FLNC und deren Vorkämpfer beanspruchen, für eine politisch überzeugende und erfolgreiche Allianz zu gewinnen.
Die neue Territorialversammlung von Korsika hat ein Budget von 1.380 Millionen Euro und ersetzt in Zukunft als einzige Behörde und politische Vertretung die beiden Departements und die Region. Zusätzliche Kompetenzen sind dagegen nicht vorgesehen. Doch Forderungen der neuen Repräsentanten Korsikas dürften nicht lange auf sich warten lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?