Tennisstar verlässt Russland: Kein Return mehr möglich
Die Weltranglistenzwölfte Daria Kassatkina schließt sich dem australischen Tennisverband an. Für Russland ist sie jetzt gestorben.
Man kann erfahren, dass der Verband ein paar Auslandsreisen finanziert hat, dass die Eltern ihr Haus verkauft haben, um die teure Karriere der Tochter anschieben zu können und dass auch ihr Bruder beinahe seine Wohnung verkauft hätte, um seine Schwester zu unterstützen. Doch dann erreichte sie 2015 überraschend die dritte Runde bei den US-Open, verdiente dafür 120.000 Dollar und konnte seither ihre Familie unterstützen.
Dass sie 2022 die Brücke zu ihrer russischen Heimat, die sie längst verlassen hatte, durch ein Videointerview mit einem bekannten russischen Blogger abbrach, auch das erwähnt der Text. Dort hatte sie ihre Abscheu gegenüber dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zum Ausdruck gebracht, sich zu ihrer Partnerin bekannt und die russische LGBT-Gesetzgebung kritisiert.
Ihre „nicht traditionelle sexuelle Orientierung“ wird auch im Abschiedstext auf Kassatkina in der typisch verdrucksten Ausdrucksweise russischer Medien erwähnt. Das Erstaunlichste an diesem Text ist jedoch die dazugehörige Umfrage unter den Lesenden. 52 Prozent der etwa 10.000 Leute, die sich an der Befragung beteiligten, äußerten darin ihr Verständnis für Kassatkinas Entscheidung, sich dem australischen Verband anzuschließen. Keine 30 Prozent lehnen sie ab.
Das ist durchaus bemerkenswert, ist die Berichterstattung über Kassatkina ansonsten von den üblichen Botschaften der putintreuen politischen Kaste im Land geprägt. Tenor: Kassatkinas Abschied ist kein Verlust. So äußerte sich auch Jewgeni Kafelnikow, die einstige Nummer eins im Welttennis, der heute Vizepräsident des russischen Tennisverbands ist.
Kassatkina selbst schrieb in dem Instagram-Post, in dem sie von der dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung in Australien berichtet, dass sie ihre Wurzeln immer respektieren werde. Dass es keinen Weg zurück nach Russland geben würde, war ihr schon länger klar. In einem Interview mit der Times hatte sie 2023 gesagt: „Ich wusste nicht, wie wichtig die Möglichkeit ist, zurückzukehren. Ich wollte immer nur weg und im Ausland leben. Erst als ich diese Möglichkeit verloren habe, wurde mir klar, wie sehr ich sie eigentlich brauche.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!