Tennisspielerin Angelique Kerber: Hilfe aus dem gegnerischen Lager
Angelique Kerber steht im Viertelfinale der Australian Open. Dass sie wieder Erfolg hat, liegt auch an ihrem neuen Trainer.
„Ich hatte einen genauen Plan, woran ich mit Angie arbeiten wollte und würde“, sagt der 37-jährige Belgier, ein jugendlich wirkender Coach, der bereits in sehr jungen Jahren als Übungsleiter herausragende Erfolge vorzuweisen hatte. Fissette war gerade einmal 29 Jahre alt, als er seiner belgischen Landsfrau Kim Clijsters half, deren faszinierendes Comeback zu inszenieren. 2009 holte Clijsters als junge Mutter beinahe aus dem Nichts den Titel bei den US Open – und Fissette jubelte auf der Tribüne mit.
Eine lange Anlaufzeit haben Kerber und Fissette nicht gebraucht für ihre Rückkehrmission auf den Centre-Court. Bei den Australian Open wirkt die ehemalige Weltranglisten-Erste drahtiger, zäher, wendiger und fitter als je zuvor. Das Ergebnis: bis zum schwer erkämpften Viertelfinaleinzug durch einen wahren Entfesselungsakt gegen die Taiwanesin Su-Wie Hsieh (4:6, 7:5, 6:2) hatte die 30-Jährige noch kein einziges ihrer 13 Saisonmatches verloren und zwischenzeitlich auch schon einen Turniererfolg in Sydney gefeiert.
Und eins war, vor allem anderen, zu sehen: Kerbers langjährige Schwäche, der zu langsame, oft nicht dynamische und wenig selbstbewusste Aufschlag, war schlicht auf einmal keine Schwäche mehr. Er hatte sich, im Gegenteil, zu einem Pluspunkt entwickelt, zu einem mitbestimmenden Faktor, um Matches zu gewinnen.
„Als wir uns das erste Mal zusammensetzten und über die gemeinsame Arbeit sprachen, habe ich klar gemacht, dass wir am Aufschlag etwas richtig verändern müssen“, sagt Fissette, „schließlich ist das der einzige Schlag im Tennis, den der Gegner nicht beeinflussen kann.“ Auch im Viertelfinalduell mit der Amerikanerin Madison Keys will Kerber druckvoll servieren und auch ansonsten mit dem Selbstvertrauen ans Hand-Werk gehen, das ihr der ideale Saisoneinstieg verliehen hat. „Ich bin einfach nur sehr zufrieden, wie ich wieder Tennis spiele“, sagt Kerber, „das letzte Jahr ist aus meinem Gedächtnis verschwunden.“
Angelique Kerber
Fissette, der neue Mann an ihrer Seite, sei dabei ein wertvoller Impulsgeber gewesen: „Es war wichtig und richtig, eine neue Stimme hören zu können.“ Eine gut verständliche, denn Fissette spricht fließend Deutsch. Es gibt also keinen allzu komplizierten Kommunikationsaufwand zu betreiben.
Fissette ist in Deutschland vor allem als Coach von Sabine Lisicki bekannt geworden. 2013 mündete deren Kooperation mit dem engagierten Belgier in den Finaleinzug von Wimbledon. Allerdings endete das Arbeitsverhältnis dann schon im Herbst jener Saison – angeblich wegen „unterschiedlicher taktischer Auffassungen.“
Aufschwung für jede seiner Spielerinnen
Fissettes Reputation blieb dennoch unbeschädigt trotz all der typischen Wechselspielchen, denen er in der launischen Frauentennis-Branche ausgesetzt war. Er gilt als Mann, der noch jeder seiner Chefinnen einen signifikanten Aufschwung bescherte und für spielerischen Fortschritt sorgte. Es sei ein „Bauchgefühl“ gewesen, Fissette zu wählen, sagt Kerber, aber es war natürlich auch eine sehr nahe liegende Personalentscheidung nach der Trennung von Torben Beltz, mit dem sie lange zusammengearbeitet hatte. Schließlich sind nicht viele Trainer mit vergleichbarer Biografie und Meriten auf dem Markt.
Fissette weiß, woran er in den nächsten Wochen weiter arbeiten muss, um das vielversprechende Comeback Kerbers in der Weltspitze auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. „Angie ist eine absolute Künstlerin in der Defensive. Aber sie kann und muss sich noch mehr Angriff zutrauen. Sie hat alles, um die Matches auch selbst klar zu bestimmen“, sagt Fissette. „Das Nahziel ist nun, wieder in die Top Ten zu kommen.“
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