Tennis, French Open: Sie mag es einfach spannend
Das Frauentennis hat einen neuen Star, der das Rüstzeug für eine glanzvolle Zukunft mitbringt: die lettische Haudraufin Jelena Ostapenko.
Das Tennis dieser Tage ist schon länger auf der Suche nach einer jungen Frau, die Serena Williams beerben könnte, mit allem, was dazugehört. Jelena Ostapenko, die vor ein paar Tagen in Paris ihren 20. Geburtstag gefeiert hatte, schrieb ihren Namen als Bewerbung in den Sand des Court Philippe Chatrier. Allerdings, wenn man es genau nimmt, dann schrieb sie nicht, sondern rammte an allen vier Ecken des Platzes Leuchtfeuer in den roten Sand.
Faszinierend, mit welcher Leidenschaft, welcher Bereitschaft zum Risiko sie auch im ersten großen Finale ihrer Karriere spielte. Und das selbst in einer Phase, in der es aussah, als sei die Gegnerin Simona Halep auf dem Weg zum Sieg. Die Rumänin hatte den ersten Satz gewonnen, führte im zweiten 3:0 und hatte weitere Breakbälle. Doch dann zitterte ihr Arm, sie ließ Ostapenko zurückkommen, und die freche Lettin gehört sicher zu den Personen, denen man besser nicht den kleinen Finger reicht.
Ostapenkos Spiel kennt nur eine Dimension. Sie knallt die Bälle aus allen Lagen und Positionen mit unfassbarer Geschwindigkeit über Netz. Messungen während der French Open hatten ergeben, dass sie die Vorhand härter schlägt als die Nummer eins der Männer, Andy Murray.
Und auch ein anderer Vergleich zeigt, was hier los ist. Die Siegerin schlug mehr Asse als der Kollege Rafael Nadal, auch mehr Vorhandwinner und mehr Rückhandwinner als der Spanier. Simona Halep hatte alldem am Ende nichts mehr entgegenzusetzen. Sie wirkte schwer geknickt und meinte, sie werde eine Weile brauchen, um sich von dieser Niederlage zu erholen.
Kerber bleibt Nr. 1
Einer Niederlage, die nebenbei dafür sorgt, dass Angelique Kerber weiter an der Spitze der Weltrangliste steht.
Jelena Ostapenko, die das Turnier auf Platz 47 der Weltrangliste begonnen hatte, rückt auf 12 vor, und dabei wird es sicher nicht bleiben. Die Amerikanerin Chris Evert überschlug sich in ihrer Begeisterung über die junge Lettin und deren Bereitschaft zum Risiko. „Eine wie Jelena – das ist es, was wir brauchen im Frauentennis“, schwärmte sie. „Wir sind doch alle so hungrig auf neue Gesichter – hier ist eines.“
Chris Evert
Sicher, man kann die Art des Spiels der jüngsten Siegerin in Paris seit 20 Jahren, der ersten ungesetzten Siegerin seit mehr als 8 Jahrzehnten und der jüngsten Siegerin eines Grand-Slam-Turniers seit 13 Jahren schlicht in der Anlage finden. Volle Kraft voraus – und dann rette sich, wer kann. Aber dabei muss es ja nicht bleiben, und ein großer Teil der Faszination besteht darin, diesem lettischen Feuerkopf bei der Arbeit zuzusehen. In ihren Reaktionen kann man lesen wie in einem Buch, manchmal so spannend wie das ihrer Lieblingsautorin Agatha Christie.
Einfach rausgehen
War sie überhaupt nicht nervös im ersten großen Finale ihrer Karriere? Kurz vor dem Spiel habe es ein paar Minuten gegeben, gab sie zu, aber sonst sei alles okay gewesen. Es ist die Stärke der Jugend, einfach rauszugehen, dem Tag ins Auge zu sehen und sich ins Spiel zu stürzen. Die Nervosität nehme mit zunehmendem Alter eher zu, wie alle großen Spieler bestätigen.
Ostapenko nahm die Aufgabe mit hinreißendem Schwung an, und am Ende stand sie im hellsten Licht. Erst am Tag danach sah es aus, als sei sie von der Bedeutung ihrer Tat ein klein wenig eingeholt worden. Zum offiziellen Fototermin mit Trophäe trug Jelena Ostapenko ein kurzes Kleid mit schwarzem Oberteil, hochhackige Pumps, die wilde Mähne diesmal nicht geflochten, sondern, von einem Band zusammengehalten, offen.
Lächelnd erfüllte sie die Wünsche der Fotografen, aber es waren vorsichtige kleine Posen. Die großen Siegerinnenauftritte von Serena Williams sehen anders aus, aber das kriegt sie sicher auch noch hin.
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