Tempelhof for ever: Mehdorns Revolution von oben
Bahnchef bittet per Brief 74 Vorsitzende großer Unternehmen, sich für den Flughafen Tempelhof einzusetzen. Linke, Grüne und SPD kritisieren Kompetenzüberschreitung und Amtsmissbrauch.
Bahnchef Hartmut Mehdorn ruft seine Kumpel, um den Flughafen Tempelhof zu retten. Per Brief hat er 74 Chefs großer deutscher Firmen wie der Deutschen Bank und Siemens gebeten, sich für den Erhalt des innerstädtischen Airports einzusetzen. Dies bestätigte Jens-Oliver Voß, Sprecher der DB, der taz.
In dem Brief schlägt Mehdorn einen familiären Ton an: "Wir als Wirtschaftsentscheider können im Vorfeld des Volksentscheides ein positives Signal setzen." Dafür hat er seinen Kollegen in den Chefetagen gleich ein vorgefertigtes Antwortschreiben beigefügt. Aussagen "pro Tempelhof" wolle er auch "im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zum laufenden Volksbegehren nutzen", heißt es in dem Schreiben weiter.
Der Brief ist nicht das erste Engagement des Bahnchefs für das konkurrierende Transportmittel. Mehdorn hatte bereits im Jahr 2006 das Interesse der Bahn angemeldet, den Flughafen zu betreiben. Doch der rot-rote Senat blieb bei seinem Beschluss, den Flughafen zu schließen.
Am 27. April können die Berliner bei einem Volksentscheid über Tempelhof abstimmen. Das Ergebnis ist nicht rechtlich bindend. Der Senat will unabhängig vom Ausgang des Urnengangs den Betrieb im Oktober einstellen. Auf dem Areal sollen ein Park und Wohnviertel entstehen.
Mehdorn engagiert sich nicht als einfacher Bürger in der politischen Debatte. Den Appell an seine Wirtschaftskumpel verfasste er als Bahnchef - "DB" steht groß im Briefkopf. "Das ist natürlich Amtsmissbrauch - und ein Skandal", kritisiert Jutta Matuschek, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Er agiere gegen die Interessen der Bahn und gegen deren Eigentümer, den Bund. Die Bahn sei zudem einer der Antragssteller für den Ausbau des Flughafens Schönefeld. "Es geht ihm um die Einrichtung eines Bonzenflughafens, für die Reichsten der Reichen. Damit überschreitet er eindeutig seine Kompetenzen", so Matuschek.
Ähnlich sieht das die Landesvorsitzende der Grünen, Irmgard Franke-Dressler: " ,Klein, aber fein' soll das Motto lauten - ein Flughafen für die Businesselite." Hier würden Partikularinteressen von Wirtschaftsvorsitzenden vertreten. Mehdorns Argument, dass die zentrale Lage für den Erhalt von Tempelhof spreche, hält sie "für den größten Quatsch des Jahrhunderts". In den meisten Metropolen sei man ewig unterwegs, um vom Flughafen ins Stadtzentrum zu gelangen. "Von Schönefeld ist man in 20 Minuten mit der S-Bahn in der City." Die S-Bahn GmbH, eine Tochter der DB, profitiert vom Verkehr nach Schönefeld.
Heftigen Unmut erregte Mehdorn auch in der SPD. "Er hat endgültig die Grenzen des Erträglichen überschritten", sagte ein Abgeordneter. "Mehdorn missbraucht seine Funktion als Unternehmenschef, um Privatinteressen durchzusetzen". Offiziell wolle sich seine Fraktion aber nicht äußern. Nicht um den Bahnchef zu schonen, sondern um ihn von höherer Warte aus abzumahnen: "Hier muss der Bund als Bahneigentümer Mehdorn Einhalt gebieten."
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