piwik no script img

Teil des pragamatischen FlügelsDer zivilisierte Hamas-Terrorist

Asis Dwelk, palästinensischer Parlamentssprecher, soll Mitglied einer Terrororganisation sein. Er ist allerdings niemals eines Gewaltaktes überführt worden.

Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Bild: dpa

Jeder, der seiner Freiheit beraubt ist, empfindet enorme Not." Das sagte Asis Dweik, palästinensischer Parlamentssprecher, bei seiner Entlassung 2009 nach dreijähriger Haftzeit. Vor ein paar Tagen wurde er an einem Kontrollpunkt bei Ramallah erneut festgenommen. Ein israelisches Militärgericht verurteilte ihn am Dienstag zu sechs Monaten Haft ohne Prozess.

Mitgliedschaft in einer Terrororganisation ist der Vorwurf, für den der Anfang-60-Jährige immer wieder hinter Gitter muss. Dweik kandidierte bei den Parlamentswahlen im Januar 2006 für die Hamas-nahe Liste "Veränderung und Reform" und wurde wenige Wochen später mit dem Amt des Parlamentssprechers beauftragt.

Dweik und Dutzende weitere Hamas-nahe Politiker wurden im Sommer des gleichen Jahres nach der Entführung des Soldaten Gilad Shalit als Faustpfand in Haft genommen.

Sprecher der Deportierten

Es war nicht das erste Mal, dass der Professor für Stadtplanung und Vater von sieben Kindern den Kopf für das Vergehen anderer hinhalten musste. Schon Ende 1992 wurde Dweik zusammen mit über 400 weiteren Hamas-Funktionären für fast ein Jahr ins südlibanesische Exil deportiert, angeblich als Strafe für die Ermordung zweier israelischer Soldaten. Auch aufgrund seiner fließenden Englischkenntnisse avancierte er damals zum Sprecher der Deportierten in einer Zeltstadt im Niemandsland zwischen Libanon und Israel.

Tatsächlich ist Dweik niemals eines Gewaltaktes überführt worden, sondern er gehört eher zum pragmatischen Flügel der Hamas. "Macht der Besatzung ein Ende, und es wird keine Gewalt mehr geben", mahnte er Israel und forderte immer wieder zu einem Waffenstillstand auf.

Das in der Hamas-Charta formulierte Ziel des Staates Palästina, vom Jordan bis zum Mittelmeer, nannte er "nichts als einen Traum" und "unrealistisch". Dweik gehört damit zu den Hamas-Funktionären, die offen die Zweistaatenlösung propagieren.

Seit Dweiks Verhaftung sind noch drei weitere Parlamentarier und ein Exminister festgenommen worden. Nach Angaben der Häftlingsorganisation Addameer befinden sich noch 27 Abgeordnete in israelischen Haftanstalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Z
    zwangsstörung

    daniel preissler, auch ihre (souveräne) argumentation finde ich (persönlich ganz) verblüffend...

     

    "...scheinrationalisiertes Unmenschentum." "(nicht immer)": darf ich das jetzt [virtuelle] realsatire nennen. oh, jetzt hab' ich da wohl voll den kontext [heraus] gerissen.

     

    ich frag' ja nur mal. mensch wird ja wohl noch...

     

    ist so'n reflex, der immer einsetzt, wenn ich von tadschikischen hochseeg-vögeln geträumt habe.

     

    ...nee, doch ,nee..

     

    wohl eher eine zwangsstörung...tut mir leid. ich muss auf meine station. mein dritter sozialpädagoge kommt geradewegs um die ecke. und er hat [nicht immer] mein ritalin dabei.

     

    und was hat das jetzt mit dem thema zu tun, mein lieber, führst du wieder selbstgespräche?

    nein

    doch

    nein

    doch

     

    hupe, hupe, hupe

  • RD
    Rainer David W. Früh

    Sudelede, alias "end of sonstwas":

    Kaltenbrunner hätte hundertfünfzig Juden erschießen lassen (!), so wie die Hamas das auch machen würde, hätte sie die Möglichkeit dazu, Sie Vollidiot!

  • DP
    Daniel Preissler

    @zwangsstörung

    Dergleichen habe ich mich tatsächlich auch schon öfters gefragt. Aber wie du sagst, kommentiert ETO wenigstens häufig (nicht immer) souverän - im Gegensatz zu Stefan, der oftmals hilf- und emotionslos scheinrationalisiertes Unmenschentum propagiert (umgekehrt gilt auch hier: nicht immer).

    Grüßle

    D

  • E
    end.the.occupation

    >> was treibt dich EIGENTLICH dermaßen an, dass du fast und ausschließlich jeden israel-artikel der letzten 4 (!) jahre hier so souverän kommentieren muss?

     

    Ein Bekannter von mir - ein antizionistischer Jude in der Diaspora - hat einmal festgestellt, dass Wut äusserst mobilisierend wirken kann.

     

    Das gilt insbesondere für die Wut die sich einstellt, wenn man nach vielen Jahren feststellen muss, dass man von A-Z belogen worden ist und wird - auch wenn man vormals eine eher äquidistante, den israelischen Aggressoren de facto dienende Ansicht hatte. Das macht manche Menschen wütend.

     

    Lesen Sie einfach mal die 'Autobiographie' von Jeff Halper 'Ein Israeli in Palästina' (aphorisma). Kostet nur 15 Euro und bildet. Oder den 'Oslo Prozess' von Edward Said, wenn Sie den in Ihrer Stadtbibliothek finden.

  • Z
    zwangsstörung

    mensch, hier ist ja wieder kräftig was los in der taz-nahost-israel-kommentarwelt.

     

    @ "end.the.occupation": was treibt dich EIGENTLICH dermaßen an, dass du fast und ausschließlich jeden israel-artikel der letzten 4 (!) jahre hier so souverän kommentieren muss?

  • S
    Stefan

    "Der zivilisierte Hamas-Terrorist" ... soll bedeuten, dass das pragmatische Führungsmitglied einer terroristischen Vereinigung ja eigentlich ein netter Kerl ist. "Palästinensischer Parlamentssprecher" und dann noch "Professor für Stadtplanung und Vater von sieben Kindern" ... und diese Neuzeit-Nazis sperren so einen lieben Menschen ein. Unglaublich.

  • E
    end.the.occupation

    >> Dweik und Dutzende weitere Hamas-nahe Politiker wurden im Sommer des gleichen Jahres nach der Entführung des Soldaten Gilad Shalit als Faustpfand in Haft genommen.

     

    Ein "Faustpfand". Aha. So hätte es auch Kaltenbrunner gemacht.

     

    Zu dem Titel - frisch aus der israelischen Botschaft - will ich nur soviel sagen: Klar - auch die Opfer Kaltenbrunners mussten ihre Unschuld beweisen, nicht Kaltenbrunner ihre Schuld.

     

    Zwar kann man Dweik keinen Terrorismus nachweisen - aber weil er ja auch nicht nachweisen kann KEIN Terrorist zu sein - deswegen sperrt ihn die einzige Demokratie des nahen Ostens ohne Angabe von Gründen ein - so das die taz-Sayans ihn auch als Terroristen bezeichnen können.

     

    Den nachweislichen Staatsterror, den die 'Botschafter' in der taz totschweigen: http://www.icahd.org/?p=8107 - ICAHD Peace Center ‘Beit Arabiya’ Demolished for the Fifth Time

  • IQ
    Ignaz Quadratwurzel

    Auch in der BRD wird die Hamas weiter als „Terrororganisation“, als Teufel also, den man diffamieren kann, gebraucht.

    So lässt sich eine Politik besser rechtfertigen, die die Palästinenser davon abhalten soll, den Schutz und die Rechtsmittel der UN-Mitgliedschaft zu gebrauchen,

    Verhandlungen zwischen Israel und Palästinensern wird damit zur Privatsache erklärt, bei dem man nur als hilfreicher Sekundant tätig werden bräuchte.

    Interessant auch der Gegensatz der erscheint, wenn man die Forderung von einem Palästinenserstaat vom Jordan bis zum Mittelmeer – mit weniger Anspruch in Israel als Gebietsziel stets präsent – nicht als das angeblich oberste Ziel der Hamas hingestellt bekommt, das angeblich darin bestünde, den Staat Israel zu zerstören, womit ja in der Regel auch noch Holocausabsichten unterstellt werden.

     

    Man beachte auch die Studie des Bundestages zum Antisemitismus, dort heißt es:

    Der antizionistische Antisemitismus tritt unter dem Deckmantel einer Ablehnung der Innen- und Außenpolitik des Staates Israel auf,....(d)abei lässt sich das eigentliche Motiv für die Aversion gegen Israel einzig in der Tatsache der Existenz eines jüdischen Staates ausmachen.

     

    Die Hamas hingegen hat ja bekanntlich andere Gründe für ihre Forderungen, wie man die auch immer beurteilen möchte.

     

    Zeit also, endlich die Hamas von der Liste der Terrororganisationen zu streichen

  • I
    InOrderOfMoreDepth

    Sehr schräger Vergleich @rizo

  • M
    max

    super-vergleich rizo! ungefähr so sinnvoll, wie der zwischen liebermann und hitler (beides rassisten und faschisten) oder zwischen sharon und pol-pot (beides kriegsverbrecher). oder findste meine vergleiche unpassend?

  • M
    mama

    erstmal strozt der text von als israelkritik getarntem judenhass. er wurde von einem militärgericht verurteilt, muß also ein militärgerichtsprozess gewesen sein. er war nie an gewalt beteiligt, genau wie binladen nicht persönlich an 9/11 beteiligt war.

    er ist angehöriger der hamas die in israel als terrororganisation bekämpft wird, in gasa würde man ihn sofort erschossen haben würde er das umgekehrte betreiben. des weiteren weiß hier kaum einer was der mann auf arabisch von sich gibt, die mär vom friede freude eierkuchen islamisten nimmt doch keiner mehr ernst. der kerl ist noch zu gut davongekommen und würde von 1000den arabischen, russischen, chinesischen, türkischen usw gefangenen beneidet werden, die hier totgeschwiegen werden.

  • C
    Claus

    Als Vorsitzender des Parlaments ist Dweik (nicht Dwelk, wie in der Einleitung) übrigens seit dem Ende der Amtszeit von (Ex-)Präsident Mahmud Abbas im Januar 2009 auch laut Verfassung amtierendes Oberhaupt der Palästinensischen Autonomiebehörde - nicht, dass das dort jemanden interessieren würde.

  • R
    Rizo

    Ernst Kaltenbrunner wurde auch nie eines Gewaltaktes überführt.

    Der Sohn eines Rechtsanwaltes war ebenfalls jahrelang politisch aktiv. Nach seiner Verhaftung war er ein gebrochener Mann und berichtete von Misshandlungen in englischer Haft. Als man ihm die Anklageschrift überreichte, begann er zu weinen.

     

    Und zum Schluss wurde er aufgehängt...der arme Kerl!

     

    Oder etwa nicht?