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Teil des litauischen KoalitionsabkommensTV-Star wird Parlamentspräsident

Die Partei "Nationale Wiedergeburt" unter ihrem Chef Arunas Valinskas schafft nach dem Einzug ins Parlament nun auch noch den Sprung in die neue Mitte-rechts-Koalition.

Der Parlamentspräsident Arunas Valinskas und seine Frau. Bild: ap

STOCKHOLM taz "Litauen sucht den Superstar", "Wer wird Millionär", "Deal or No Deal". Arunas Valinskas war und ist auf vielen Show-Plattformen zu Hause. Seit dieser Woche ist für ihn mit der "Seimas" eine neue Bühne hinzugekommen. Am Montag kurz vor Mitternacht wurde er zum neuen litauischen Parlamentspräsidenten gewählt.

Das verfassungsrechtlich zweithöchste Amt im Staat für den 42-jährigen Fernsehmoderator, TV-Produzenten und Vorsitzenden der Partei "Nationale Wiedergeburt" war Teil des Koalitionsabkommens. Durch dieses Abkommen wird die bei den Parlamentswahlen im Oktober mit 15 Prozent frisch in den "Seimas" gewählte "Nationale Wiedergeburt", eine Partei von TV-Stars und -Sternchen, Teilhabe an der Regierungsmacht bekommen. Hinter der "Vaterlandspartei", die mit Andrius Kubilius den Premier stellen soll und neben zwei kleineren liberalen Parteien ist die "Show-Biz"-Partei, wie sie in Litauen genannt wird, zweitstärkste Kraft einer Mitte-rechts-Koalition. Damit regiert erstmals seit acht Jahren nicht mehr ein mehrheitlich sozialdemokratisches Kabinett das Land.

Für Litauen werde sich viel ändern, kündigte der künftige Ministerpräsident schon vor seiner formalen Wahl an. Das Land sitze angesichts der wirtschafts- und finanzpolitischen Krise auf einer "tickenden Zeitbombe" und müsse sich auf einen drastischen Sparkurs einstellen: "Damit wir 2009 nicht in einer ähnlichen Situation aufwachen, wie sie jetzt Island getroffen hat."

Die neue Regierung wird sich als Erstes an einer heraufziehenden wirtschaftlichen Rezession beweisen müssen. Litauens Wirtschaftswachstum lag im dritten Quartal noch leicht im Plus, dürfte aber spätestens Anfang 2009 Minuszeichen aufweisen. Trotzdem setzt Kubilius seiner Regierung das Ziel, das Haushaltsdefizit von knapp drei auf weniger als ein Prozent zu drücken. Wie das mit einer gleichzeitig verkündeten Senkung der Einkommensteuer erreicht werden soll, ist fraglich. Parteien der linken Opposition werfen Kubilius bereits vor, er wolle mit der angekündigten Erhöhung der Mehrwertsteuer vor allem die Niedrigverdiener die Zeche zahlen lassen.

Ein weiteres Problem wird die künftige Stromversorgung Litauens sein. Ende kommenden Jahres muss auch der zweite Reaktor des AKW Ignalina vom Netz - eine beim EU-Beitritt des Landes übernommene Verpflichtung, auf die vergangene Regierungen die Energieversorgung des Landes aber bislang kaum eingestellt haben. Da Brüssel aber hart bleiben will und man in Wilnius den Bau lange projektierter Stromkabel nach Polen und Skandinavien unnötig verzögert hat, dürfte Litauens Energieversorgung für die nächsten Jahre mehr als bisher von russischen Importen abhängig sein.

Nachdem Litauen zuletzt versuchte, die Neuverhandlung des EU-Partnerschaftsabkommens zu blockieren, steht außenpolitisch offenbar eine Entspannung des Verhältnisses zu Moskau an. Der designierte parteilose Außenminister Vygaudas Usackas kündigte an, sich für gute Beziehungen mit allen Nachbarn, auch mit Russland, einzusetzen.

Die neue Regierung verfügt auf dem Papier mit 81 von 141 Parlamentssitzen über eine bequeme Mehrheit. Wie stabil sie aber sein wird, dürfte vor allem von der "Nationalen Wiedergeburt" abhängen. Mit dem Verzicht auf Diäten, soweit diese über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, und der Weigerung ein Programm zu präsentieren, weil sich seine Vorgänger sowieso nie an ihre Versprechen gehalten hätten, hat deren Chef Valinskas einen Einstand gegeben. Nun fragt sich die litauische Öffentlichkeit: Ist das Show oder die versprochene neue Politik?

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